Canon übt scheinbar Druck auf Dritthersteller aus und fordert diese aktiv dazu auf, den Verkauf von eigenen RF-Objektiven zu unterlassen.
Objektive von Drittherstellern
Wenn Dritthersteller wie Sigma, Tamron, Viltrox oder Tokina Objektive für ein bestimmtes Kamerasystem produzieren möchten, dann haben sie zwei Möglichkeiten:
- Der Hersteller der Kamera hat die Objektivprotokolle freigegeben und unterstützt somit Dritthersteller bei der Entwicklung von eigenen Objektiven. Das ist beispielsweise bei Kameras von Sony und Fujifilm der Fall.
- Der Hersteller der Kamera hält die Objektivprotokolle unter Verschluss, wie zum Beispiel bei Canons RF-Bajonett und Nikons Z-Bajonett. In diesem Fall bleibt den Drittherstellern nur der Weg des Reverse-Engineerings, wenn sie eigene Objektive bauen wollen.
Das sogenannte Reverse-Engineering ist für die Dritthersteller mit großem Aufwand verbunden, den einige zu scheuen scheinen. Zumindest war das bisher eine gängige Erklärung, warum es noch keine RF-Objektive oder Z-Objektive von Herstellern wie Sigma oder Tamron gibt (vom allerersten und etwas speziellen Tamron Objektiv für Nikon Z mal abgesehen).
Übt Canon Druck auf die Hersteller aus?
Derzeit scheint sich aber zumindest im Falle von Canon herauszukristallisieren, dass das aufwendige Reverse-Engineering nicht der einzige Grund für das Ausbleiben von “fremden” RF-Objektiven ist. Canon scheint darüber hinaus nämlich auch aktiv Druck auf Dritthersteller auszuüben und fordert diese dazu auf, die Produktion von eigenen RF-Objektiven zu unterlassen.
Konkret hat der chinesische Hersteller Viltrox kürzlich auf dem offiziellen Instagram-Kanal einem Kunden mitgeteilt, dass Viltrox von Canon “angewiesen wurde, den Verkauf von allen RF-Mount-Produkten einzustellen”:
Dieser Aufforderung scheint Viltrox nachgekommen zu sein, zumindest sind auf der offiziellen Webseite keine Viltrox Produkte für Canon RF mehr gelistet, auch das Viltrox RF 85mm f/1.8 mit Autofokus nicht, das im November 2021 vorgestellt wurde. In Deutschland ist dieses Objektiv teilweise aber noch erhältlich, zum Beispiel bei Rollei.
Viltrox nicht das erste Unternehmen, das betroffen ist
Schon im letzten Jahr hat eine ganz ähnliche Geschichte die Runde gemacht, im Juli 2021 genauer gesagt, als Samyang ohne genaue Begründung die Produktion von RF-Objektiven wie dem Samyang RF 85mm f/1.4 AF eingestellt hat. Dieses Objektiv scheint inzwischen auch komplett vom Markt verschwunden zu sein.
Interessant ist allerdings, dass ein Samyang RF 85mm f/1.4 mit manuellem Fokus bei allen deutschen Fachhändlern auf Lager ist, gleiches gilt für das manuelle Samyang RF 14mm f/2.8. Sind vom Verkaufsverbot also nur manche Objektive betroffen, zum Beispiel die mit Autofokus?
Überhaupt stellt sich die Frage, inwiefern Canon denn die rechtlichen Möglichkeiten hat, Herstellern wie Viltrox oder Samyang den Verkauf von eigenen Produkten tatsächlich zu verbieten. Handelt es sich wirklich um ein rechtsgültiges Verbot oder eher um eine sagen wir “Bitte”? Aus der Ferne schwer zu beurteilen. Es wäre aber denkbar, dass hier irgendwelche Patentverletzungen eine Rolle spielen. Aus reiner Nächstenliebe werden Samyang und Viltrox ihre bereits fertig entwickelten und produzierten Objektive sicherlich nicht vom Markt genommen haben.
Fazit
Erst Samyang, jetzt Viltrox – und nach wie vor keine Spur von RF-Objektiven aus dem Hause Sigma oder Tamron. Wir kennen zwar keine Details, doch es zeichnet sich deutlich ab, dass Canon in irgendeiner Art und Weise gegen den Verkauf von (bestimmten) RF-Objektiven, die nicht das eigenen Logo tragen, vorgeht.
Aus der Sicht von Canon ist das nachvollziehbar, schließlich stellt man so sicher, dass die Kunden die eigenen RF-Objektive kaufen müssen. Im Falle von Patentverletzungen wäre es darüber hinaus auch ihr gutes Recht. Das RF-System im Gesamten macht es jedoch unattraktiver, da die Objektivauswahl (vor allem im Bereich der etwas günstigeren Objektive) deutlich geringer ausfällt.
Wie beurteilt ihr Canons Vorgehen?
Quelle: DPReview Forum | via: Photorumors | Beitragsbild: Derrick Treadwell