Wissen

Was professionelle Produktfotografie mit der Kunst des Stilllebens gemeinsam hat

Gute Produktfotos bestimmen maßgeblich den Erfolg von Geschäften, mehr sogar noch den von Online-Shops. Schließlich geben sie dem potenziellen Kunden einen Ersteindruck von dem Produkt, bevor er es selbst in den Händen halten kann. Da diese Art von Marketing die Zielgruppe vor allem emotional ansprechen soll, weist Produktfotografie starke Parallelen zur Kunst des Stilllebens auf.

Als Hobby-, Amateur- oder angehender Profi-Fotograf kann man sich recht schnell mit den allgemeinen Grundlagen der Produktfotografie vertraut machen. Wenn man aber wirklich ausgefallene und aufmerksamkeitsstarke Bilder herstellen will, sollte man sich der klassischen Stillleben-Fotografie besinnen, für die Künstler wie Imogen Cunningham, Robert Mapplethorpe und David LaChapelle weltweit bekannt sind. Sie liefert nämlich zahlreiche Hinweise, wie man bei der Inszenierung eines Produktes vorgehen sollte, um die maximale emotionale Reaktion beim Betrachter hervorzurufen, Interesse zu wecken und somit eine Kaufentscheidung zu begünstigen.

Auf den Spuren der Meister

Die sogenannte „still-life photography“ hat einen großen Vorteil gegenüber anderen Sujets: Da man mit leblosen, unbeweglichen Objekten arbeitet, hat man die größtmögliche gestalterische Kontrolle über alle Aspekte des Bildes, die nach Belieben (und ohne Zeitdruck) arrangiert und zu einem Gesamteindruck komponiert werden können. Aus diesem Grund kommt die Objektfotografie der Malerei näher als jede andere Kunstform und wandelt somit auf den Spuren der alten Meister wie Paul Cézanne und Vincent van Gogh.

Bei der angewandten Fotografie zu Werbezwecken liegt die besondere Herausforderung jedoch darin, dass man sich seine Inspirationen nicht selbst suchen kann, sondern mit vorher festgelegten Motiven arbeiten muss. Trotzdem bleiben auch bei strengen Vorgaben der Marketing-Abteilung bezüglich Hintergrund und Arrangement genügend kreative Freiheiten, etwa bei der Wahl der Beleuchtung, des Objektivs und des Aufnahmewinkels. Dabei gilt für Produktbilder stets der wohlbekannte Grundsatz „weniger ist mehr“: Je ruhiger und aufgeräumter die Gestaltung ausfällt, desto schneller kann der Betrachter den Eindruck in sich aufnehmen.

Technische Voraussetzungen

Sowohl beim Bilderknipsen in den eigenen vier Wänden als auch im professionellen Fotostudio ist es unerheblich, ob eine DSLR oder DSLM zum Einsatz kommt. Jede für die Produktfotografie geeignete Kamera muss ganz grundlegend im Grunde nur eine Voraussetzung erfüllen: Sämtliche Parameter, vom Fokus über die Belichtung bis hin zum Weißabgleich, sollten manuell einstellbar sein. Dazu ist ein Stativgewinde der Garant für wackelfreie Bilder bei langen Belichtungszeiten und zum problemlosen Arrangieren und Überprüfen des Motivs.

Weiterhin ist die Anschaffung eines qualitativ hochwertigen Objektivs empfehlenswert. Ein gutes 28mm ist in den Augen vieler Profis beispielsweise eine gute Wahl. Dieses dehnt die Perspektive leicht aus, Gegenstände nah an der Kamera wirken etwas größer und weit entfernte wirken kleiner, als es mit bloßem Auge den Anschein hat. Doch auch mit Brennweiten im Bereich zwischen 70 und 105 Millimetern können sehr gute Ergebnisse gelingen, so man denn beispielsweise eine geringere Schärfentiefe bevorzugt oder Bilder möglichst naturgetreu darstellen möchte. Schlussendlich hängt die Wahl des richtigen Objektivs auch mit den persönlichen Vorstellungen der fertigen Bilder zusammen, das „perfekte Objektiv“ gibt es also nicht.

Schlüssel zum guten Bild: Die Perspektive

Wichtigster Faktor bei Stillleben- und Produktfotografie ist die Kameraperspektive, denn schon eine minimale Veränderung des Winkels kann ein völlig anderes Gefühl beim Betrachter hervorrufen. Und genau darum geht es bei dieser Disziplin: den potenziellen Kunden affektiv anzusprechen und ihn mit positiven Empfindungen zu einem Kauf zu motivieren. Dies kann gelingen, indem man das Motiv zum Beispiel so anordnet, dass die Perspektive dem natürlichen Blickwinkel des Produktbenutzers entspricht: Eine Sicht von oben in das Glas mit dem sprudelnden Erfrischungsgetränk eignet sich besser als eine Ablichtung aus der Froschperspektive. Aufnahmen, die das gesamte Produkt und seine Details zeigen, geben dem Kunden zwar ausführliche visuelle Informationen, wirken aber oft zu technisch und emotional wenig ansprechend. Für Produktkataloge und Plakate muss das Motiv also penibel ausgewählt werden, in Online-Shops wird wiederum oft auf eine Bildserie mit verschiedenen Darstellungsformen gesetzt.

Mit dem Buch „Stillleben meisterlich fotografieren“ bietet Autorin Almut Adler eine empfehlenswerte, weiterführende Lektüre. Simone Naumanns Handbuch „Bilder die verkaufen: Produkte für Dawanda und ebay verkaufsfördernd fotografieren“ befasst sich stärker mit Produktfotografie. Der Kölner Fotograf Eberhard Schuy hat außerdem ein kostenloses E-Book zum Thema herausgebracht, das man hier als PDF herunterladen kann.

Beitragsbild: Ramnath Bhat, FlickrCC BY 2.0

guest
2 Kommentare
älteste
neueste
Feedback
Zeige alle Kommentare
Alfred Proksch

Was möchte mein Kunde erreichen?

Wenn es nicht mein Direktkunde ist steht immer eine Werbeagentur zwischen dem Kunden und mir. Oft denke ich mir wie schön es wäre wenigsten als stiller Beobachter bei den Gesprächen mit dem Kunden dabei gewesen zu sein.

So ist es dann oft wie bei der Stillen Post das am Ende beim Fotografen etwas anderes ankommt als am Ausgangspunkt auf den Weg gegeben wurde.

„still-life photography“ ist meines Erachtens „Bauchsache“. Wer die Möglichkeit hat sich im Vorfeld mit den zu fotografierenden Produkten zu beschäftigen begeht weniger Fehler.

Obwohl wir das reale Produkt ablichten verkaufen wir nicht Stahl, Glas, Gummi, Leder und Farbe sondern entweder den Nutzen eines LKW oder das Lebensgefühl eines Cabrio Fahrers der die Amalfi Küstenstraße entlangfährt.

Es wäre ein Leichtes aus den vorhandenen digitalen 3D Konstruktionszeichnungen per CIG Programmen Fotorealistische Bilder zu erzeugen (siehe IKEA Katalog), aber der Aufwand erzeugt kein „Bauchgefühl“ beim Betrachter. Deshalb werden noch Produktfotos gemacht.

Peter Hoffmann

In der Tat, mich stört es als Kunden, wenn die Seite eines Internet-Händlers oder die Fotos schlecht gemacht sind … und das obwohl schlechte Bilder ja keineswegs zwingend bedeuten, dass auch die Ware fehlerhaft ist!

Photografix Newsletter

In unserem kuratierten Newsletter informieren wir dich 1-2 Mal pro Woche über die aktuellsten News und Gerüchte aus der Welt der Fotografie.

Wir senden keinen Spam und teilen niemals deine E-Mail-Adresse.
Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.