Der Fall Nikon(s)

Nikon D610 – die Lösung für alle Probleme?

Für viele war die Nikon D610 das inoffizielle Eingeständnis und der Beweis für die Probleme der D600. Nur ein Jahr nach der D600 kam die D610 auf den Markt und wirklich ernst zu nehmende Verbesserungen hatte sie nicht zu bieten – mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass inzwischen ein Verschluss der 3. Generation zum Einsatz kam, der zuvor wohl teilweise schon in der D600 verbaute wurde. Mit diesem Verschluss gehörten die Staub/Öl-Probleme nun endlich der Vergangenheit an. Und mit der D610, die im Grunde nichts anderes war als eine funktionierende und zuverlässige D600 (die um 0,5 fps höhere Serienbildgeschwindigkeit und den verbesserten Weißabgleich schenken wir uns, deshalb bringt man keine neue Kamera auf den Markt) wollte man nun endlich einen Mantel des Schweigens über die D600 und ihre Probleme werfen.

Die Nikon D610 – die Lösung für alle Probleme?

Doch Nikon hatte sich das Ganze zu einfach vorgestellt. Inzwischen waren einfach schon zu viele problembehaftete Modelle der D600 verkauft worden und die Besitzer waren natürlich nach wie vor unzufrieden – allein von der Tatsache, dass da jetzt eine funktionierende D610 auf dem Markt war, konnten sie sich schließlich nichts kaufen. Was für eine Möglichkeit hatten sie also? Nicht jeder hat das Durchsetzungsvermögen, um einen Hersteller oder Händler, der Probleme abstreitet, doch noch zu einem Austausch oder einer Reparatur zu bewegen. Natürlich versuchten viele, die D600 zu verkaufen, um sich von dem Geld dann zum Beispiel eine D610, die im Übrigen für 200 Euro weniger als die D600 auf den Markt kam, zuzulegen. Doch das Staub/Öl-Problem der D600 hatte natürlich längst die Runde gemacht und seine D600 ohne größere Verluste zu verkaufen, war schlichtweg unmöglich.


Nikon lenkt ein, allerdings nicht freiwillig

Dann passierte etwas, mit dem viele nicht mehr gerechnet hatten: Im Februar 2014 gab Nikon bekannt, auch nach Ablauf der Garantie kostenlos alle Ölflecken-Probleme der D600 zu beheben. Und einige Wochen später ging das Unternehmen sogar noch weiter und erklärte, dass auch Kameras, bei denen das Problem nach einer Reparatur erneut auftritt, nochmal repariert werden. Und nochmal. Und nochmal. So lange, bis das wirkliche Problem beseitigt ist. Wie vor kurzem bekannt wurde, hat sich Nikon diese ganze Reparatur-Aktion bisher 17,7 Millionen Dollar kosten lassen. Man wolle „das Vertrauen in die Marke Nikon“ wiederherstellen und für die Zufriedenheit seiner Kunden nehme man auch gerne knapp 20 Millionen Dollar in die Hand – so die oberflächliche Message. Und im ersten Moment sieht das auch wie eine tolle Geste von Nikon aus. Friede, Freude, Eierkuchen also? Ende gut, alles gut?

Nein, nicht so ganz. Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass Nikon weit mehr als ein Jahr gebraucht hat, um die Probleme offen zuzugeben und im großen Stil dagegen vorzugehen. Natürlich ist es toll, dass jede D600 jetzt noch repariert wird und selbstverständlich ist die Zahl von 17,7 Millionen beeindruckend. Doch die Reaktion kommt aus Sicht vieler Kunden einfach zu spät. Und die Reaktion kommt – und da wären wir an einem ganz wichtigen Punkt und einem weiteren „Fehler“ angelangt – nicht aus freiem Willen heraus. Denn Anfang des Jahres 2014 arbeiteten viele Kanzleien in den USA an einer Sammelklage gegen Nikon – einer Sammelklage, getragen von Nutzern der D600. Diese Klage wurde nie vor Gericht ausgefochten und kurze Zeit später reagierte Nikon wie gesagt mit einer Art Eingeständnis und dem Versprechen, jede D600 reparieren zu wollen. Doch mit diesem Hintergrundwissen wird klar, dass Nikon nicht allein aus Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kunden gehandelt hat. Das Unternehmen ist lediglich einem blutigen Gerichtsstreit aus dem Weg gegangen, der den eigentlich so guten Ruf Nikons immens hätte schädigen können.

Artikel: 1 2 3 4 5

Mark Göpferich

Gründer von Photografix, der sich seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue von Fotografie und Kameras begeistern lässt. Mit mehr als 4.000 Artikeln hier auf Photografix inzwischen so etwas wie ein Experte für neue Kameras.