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Lohnt sich ein Lensball? Praxis-Blick durch die Glaskugel

Lohnt sich der Kauf eines Lensballs oder ist das nur Fotografen-Kitsch? Im Praxis-Test hat Photografix genau das für Euch herausgefunden.

Lensball? Das ist doch Fotografen-Kitsch!

Wer wieder einmal zu faul ist, nach einem spannenden Motiv zu suchen, der hält einfach einen Lensball ins Bild! – Ungefähr so lassen sich meine Vorurteile gegenüber Glaskugelfotos zusammenfassen. Und tatsächlich wirken die Beispielbilder, die man bei Google unter “Lensball” findet, allesamt ein wenig kitschig und abgedroschen. Aber lässt sich vielleicht mehr entdecken beim Blick durch die Glaskugel?

In einer neuen Artikelserie wollen wir Produkte ausprobieren, die vermutlich viele Fotografen schon einmal im Warenkorb oder auf dem Wunschzettel hatten. Und da mir Rollei für meinen Fotografiegeschenke-Ratgeber ohnehin leihweise einen Lensball zur Verfügung gestellt hatte, wollte ich meine eigenen Vorurteile herausfordern! Dabei ist dieser Artikel weniger ein echter Test, vielmehr soll er Euch als Fotografen auf neue Ideen bringen und als Grundlage für Diskussionen dienen.

Was ist ein Lensball eigentlich?

Der Begriff “Lensball” lässt sich am sinnvollsten als “Glaskugel” ins Deutsche übersetzen. Und genau das ist er auch: eine Kugel aus Glas, die Ihr in verschiedenen Farben und Größen kaufen könnt. Das von mir getestet Exemplar vom Hersteller Rollei ist aus klarem Glas und misst im Durchmesser sechs Zentimeter – das ist eine vergleichsweise kleine Variante. Der Lensball ist etwa 260 Gramm schwer und kommt bei Rollei ab Werk mit einer Tragetasche und einem Putztuch im Lieferumfang.

Preislich ist der kleine Rollei-Lensball mit nur einer UVP von 29,99 Euro sehr erschwinglich, zumindest wenn man wie ich die Preise von Sony-Vollformat-Zubehör gewohnt ist. Die passende Halterung ist mit 19,99 Euro aber selbst dann überteuert – ich empfehle daher, nach dem Kauf nach einem passenden Schnapsglas oder einem Stück Metallrohr zu suchen. Auch ein Flaschendeckel hält den Lensball an seiner Stelle. Als Mehrwert bietet die Rollei-Halterung allerdings ein Stativgewinde.

Im Internet finden sich auch Exemplare mit Halterung im Lieferumfang. Neben der klassischen glatten Glaskugel gibt es auch ausgefallenere Modelle mit Oberflächenstruktur.

Wie wirkt sich ein Lensball im Bild auf mein Motiv aus?

Haltet Ihr den Lensball vor Euer Objektiv, steht die Welt Kopf! Denn Euer Motiv dreht sich im Inneren der Kugel um 180 Grad, während alles im Hintergrund stehen bleibt. Der Lensball verleiht der Szenerie etwas mystisches. Er wirkt wie ein Fremdkörper, der sich aufgrund der Spiegelung in seinem Inneren aber doch irgendwie organisch in die Umgebung einpasst.

Im Lensball dreht sich das Motiv um – hier habe ich das Foto anschließend auf den Kopf gestellt

Um dem Betrachter ausreichend Kontext zu geben, empfiehlt es sich, die Blende eher geschlossen zu halten – also eine hohe Blendenzahl zu verwenden. Die große Schärfentiefe lässt den Hintergrund nicht zur Unkenntlichkeit verschwimmen und wir bekommen ausreichend Kontext, um die Spiegelung im Lensball zu verstehen.

Und tatsächlich: die bunten Hochhäuser an der Storkower Straße in Berlin wirken selbst im grausten Großstadtwetter ein wenig spannender als sonst. Mit diesem Ergebnis scheinen sich viele Lensball-Fotografen bereits zufrieden zugeben. Die Konsequenz daraus ist die bereits erwähnte Übersättigung an immergleichen Fotos mit Glaskugel in der Bildmitte.

Die eigentliche Stärke des Lensball

Wer den Lensball jetzt also bis zum nächsten Strandurlaub im Regal liegen lässt, verschenkt viel Potenzial. Stimmt, das Meer auf den Kopf zu stellen als schnippischer Kommentar zur aktuellen Klimapolitik ist schon genial. Mit dem Lensball lässt sich aber wirklich viel herumexperimentieren.

Zwar nehme ich mein Fazit dadurch schon vorweg, aber: Das Herumspielen mit dem Lensball macht nicht nur Spaß, es wurde auch zum Katalysator für meine Kreativität. Denn schon beim Betrachten und Ausprobieren mit dem bloßen Auge fragt man sich, wie sich Motive und Bilder beim Ändern des Blickwinkels oder der Brennweite verändern. Wie verändern sich Gesichter im Lensball und was ermöglichen Langzeitbelichtungen?

Einige Augenblicke später fand ich mich mit Stativ im Dämmerlicht wieder, während ich mit meiner Handylampe Linien um den Lensball zeichne. Angetrieben von dieser fast kindlichen Entdeckerfreude, die in mir vor vielen Jahren die Lust an der Fotografie geweckt hat. Die Energie, die mir beim Herumspazieren mit der Kamera durch die Stadt so häufig fehlt. Und genau das ist ein Mehrwert, der meiner Meinung nach in Testberichten und Analysen zu Kameras, Objektiven und Co. viel zu sehr außen vor gelassen wird.

Fazit: Was lockt uns eigentlich von der Couch?

Der Kauf neuer Technik führt nicht selten dazu, dass wir dieselben Bilder mit einem kleinen Zugewinn an Qualität aufnehmen. Das kann wirklich frustrierend sein, wenn man zuvor 1.000 Euro in ein neues Objektiv investiert hat. Meiner Erfahrung nach ist es daher umso wichtiger, im Fotografie-Budget auch Reisen, Fotobücher, Besuche von Ausstellungen und sonstige Inspirationsquellen einzuplanen.

Der Kauf eines Lensballs fällt genau in diese Kategorie. Denn wer bei seiner Verwendung nicht in denselben Einheits-Kitsch verfallen will, der muss sich etwas einfallen lassen. Er muss auf neue Ideen kommen und genau hier besteht die Chance, als Fotograf zu wachsen.

Das ist die Erkenntnis, die ich privat aus meinem Selbstversuch gezogen habe. Denn ja, viele Glaskugelfotos sind kitschig. Dieses Vorurteil besteht noch immer, dafür kann aber weniger der Lensball etwas, als die Art und Weise, wie Fotografen ihn einsetzen.

Ich rate daher besonders dann zum Kauf des Lensballs, wenn Ihr nach einem Spaziergang mit der Kamera immer wieder vor denselben Bildern sitzt und davon frustriert seid. Fordert Euch heraus, mit der Glaskugel keinen Einheitsbrei zu fotografieren. Etwas festzuhalten, was man so noch nie oder nur sehr selten gesehen hat.

Womöglich habt Ihr beim darauffolgenden Spaziergang mit Eurer Kamera sogar neue Ideen – und zwar selbst dann, wenn Ihr die Glaskugel im Kamerarucksack lasst.

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Benjamin Lucks

Freiberuflicher Journalist, der einige Jahre Berufserfahrung aus einer Technik-Redaktion mitbringt. Da er seit seiner Jugend fotografiert, ist Photografix für ihn die lang ersehnte Doppelbelichtung aus Berufs- und Privatleben.