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Vero für Fotografen: Alles, was du über den „Instagram-Killer“ wissen musst

Die Foto-Community ist unglücklich mit Instagram – davon profitiert eine andere Plattform. Was hinter Vero steckt und ob sie das neue Fotografen-Paradies ist.

Was ist Vero?

Vero wurde bereits 2015 vom libanesischen Milliardär Ayman Hariri, dem Sohn des ehemaligen Premierministers des Libanons, gegründet und hatte sich von Anfang an Instagram als Erzfeind auserkoren. Während Meta, damals noch Facebook, als datengetriebener, profitorientierter Konzern vor allem dafür sorgen möchte, möglichst viel über seine Nutzer herauszufinden und zugeschnittene Werbung an sie auszuspielen, bewirbt Vero – italienisch für „Wahrheit“ – Transparenz. Aktuell kommt Vero komplett ohne Werbung aus und ist kostenlos nutzbar. Langfristig ist jedoch wohl ein Abomodell geplant, das eigentlich nach Erreichen der Schwelle von einer Million Nutzer eingeführt werden sollte (hieß es in einem Interview von 2018). Dazu ist aber leider immer noch nicht Näheres bekannt. Ich gehe davon aus, dass auch langfristig eine kostenlose Mitgliedschaft – vielleicht mit bestimmten Einschränkungen – möglich sein wird.

Warum ist Vero plötzlich so erfolgreich?

Schon der Cambridge-Analytica-Skandal bei Facebook im Jahr 2018 bescherte Vero einen kleinen Aufschwung. Das Netzwerk will einen Gegenentwurf zu den datenhungrigen Konzernen darstellen. Das wird nicht zuletzt durch den Slogan „True Social“, aber auch etwa den prominenten Punkt „Werte“ in der Webseitennavigation deutlich. Auf der entsprechenden Seite betont Vero, dass es sich um eine unabhängige Firma handele und man jeden Tag hart arbeite, sich das Vertrauen der Nutzer zu verdienen.

Ganz aktuell sind viele Nutzer von Instagram zudem sehr unzufrieden mit ihrer Plattform. Instagram scheint seine Identität verloren zu haben und etwas ziellos unterwegs zu sein. Neue Funktionen werden entweder von anderen Sozialen Netzwerken kopiert oder nach kurzer Zeit samt Entschuldigungsvideo des CEOs zurückgezogen. Schneeball-artig steigt unterdessen die Bekanntheit von Vero, indem Fotografen auf Instagram ihren dortigen Account bewerben und so vielleicht andere inspirieren.

Was ist bei Vero anders als bei Instagram?

App für Vero zwingend erforderlich

Im Gegensatz zu Instagram ist der Zugang zu Vero nur per App für Android-Smartphones und iPhones möglich, seit Herbst 2021 ist eine Desktop-Anwendung für Windows und macOS in einer Betaversion verfügbar – eine Web-Oberfläche für den Feed und das Posten der Inhalte gibt es (zumindest noch) nicht. Einzelne Profile sind per Internetadresse aber einsehbar, sofern dies in den Einstellungen nicht deaktiviert ist.

Keine Stories, dafür nicht nur Foto-Beiträge im Feed

Statt nur einzelne oder mehrere Fotos oder Videos (bei Instagram maximal zehn, bei Vero neun) können bei Vero auch andere Inhalte in den Feed gepostet werden, etwa einen Link, ein Musiktitel, einen Film oder eine TV-Sendung, ein Buch, eine App, ein Spiel oder einen Ort. Auch gibt es eine dezidierte Funktion, andere Accounts in einem Beitrag vorzustellen. Reine Textbeiträge sind nicht verfügbar. Auch gibt es kein Pendant zu Instagram Stories oder Reels.

Beschreibungsvorschau in der Profilansicht

Die verschiedenen Arten der Beiträge lassen sich sowohl im allgemeinen Feed, in dem alle Inhalte der gefolgten Nutzer gesammelt werden, als auch auf dem jeweiligen Beitrag filtern. Falls ihr euch ausschließlich für die Fotos einer Person interessiert und diese auch andere Inhalte hochlädt, wird so in der Navigation der App aber ein zusätzlicher Schritt notwendig. Bei Vero gibt es für die bildschirmfüllende Listenansicht links oben einen eigenen Button, bei Instagram ruft man diese auf, indem man auf irgendein Bild tippt. Besonderheit von Vero ist die Vorschau der Bildbeschreibung im Raster.

Links in Beschreibungen möglich

Apropos Plattformwechsel: Bei Instagram können professionelle Accounts einen Link festlegen, der auf ihrem Profil angezeigt wird. Vero fehlt dieses Feld, dafür können beliebig viele, anklickbare Links in der Profilbeschreibung hinterlegt werden. Gleiches gilt für einzelne Postings, was gerade für professionelle Fotografen nicht uninteressant ist. Auf ein YouTube-Video verlinken? Kein Problem. Auch Links in Beschreibungen zum Beispiel zum eigenen Shop, wo Drucke oder Presets erworben werden können, ist möglich. Bei Instagram sind Links lediglich in der Story klickbar (seit Kurzem auch für Accounts unter 10.000 Followern), in den Beschreibungen von Feed-Beiträgen allerdings nicht.

Drei Ebenen für private Kontakte

Vero will euch nicht nur ermöglichen, ein öffentliches Publikum aufzubauen, sondern bietet auch Funktionen für eure privatere Seite. Während sich bei Instagram lediglich Stories auf eine ausgewählte Liste „enger Freunde“ beschränken lassen, betrifft das bei Vero jeden Beitrag im Feed. Die Einteilung eurer Kontakte in „Enge Freunde“, „Freunde“ und „Bekannte“ könnt ihr weiter verfeinern. Diesen können auf Wunsch sogar unterschiedliche Profilbilder angezeigt werden. Alternativ bleibt aber noch das klassische Folgen, wofür es keine Bestätigung durch die andere Person benötigt.

Redaktionelle Accountempfehlungen

Einerseits ist Instagrams Algorithmus, der Inhalte von nicht gefolgten Nutzern in eure Timeline spült, eigentlich ein schönes Werkzeug, um euch inspirieren zu lassen. Die „Explore-Page“ schlägt euch im besten Fall auf euch zugeschnittene Beiträge vor, die euch wirklich interessieren könnten. Redaktionelle Aufbereitung nimmt Instagram nicht vor. Das ist bei Vero anders. Nutzer werden auf der Such-Seite der App explizit vorgestellt, auch eine Kategorie für „Neue und beachtenswerte Fotografen“ existiert. Folgt man einem Account, verschwindet dieser dort aber nicht, sondern wird sogar Tage später noch angezeigt. Die Zahl der Konten, die man auf diesem Weg entdecken kann, ist also begrenzt.

Keine Statistiken für Like-Fanatiker

Instagram wird die Suchtspirale, die zu immer mehr Likes anspornt, häufig vorgeworfen. Um dem entgegenzuwirken kann man die Anzeige dieser auf dem eigenen Account seit einiger Zeit deaktivieren. Das geht bei Vero nicht. Andersherum gibt es bei Vero auch keine Möglichkeit für die, die glauben, damit umgehen zu können, sich Statistiken ihrer Reichweite anzusehen.

Wie postet man Bilder bei Vero?

Wie weiter oben schon erwähnt, ist für Nutzer, die Inhalte bei Vero veröffentlichen wollen, die Installation einer Smartphone-Anwendung oder Desktop-Software und wenig überraschend das Anlegen eines Kontos per E-Mail zwingend erforderlich. Der Nutzername will gut gewählt sein – den könnt ihr hinterher nämlich leider nicht mehr anpassen.

Nachdem ihr auf das Plus in der App gedrückt oder geklickt habt, könnt ihr nach der Wahl von „Gallerie“ (sic!) ein oder mehrere Fotos auswählen, die ihr hochladen wollt – das Maximum sind neun. Neben rudimentären Bearbeitungen wie Zuschnitt, einer breiten Auswahl an Filtern und der Belichtung können auch etwas umfangreichere Bearbeitungen des Bildes vornehmen. Das werdet ihr aber vermutlich schon vorher mit einer ausgewiesenen Bearbeitungssoftware am PC oder am Smartphone erledigt haben. Schließlich bleibt noch die Möglichkeit, dem Bild etwas Text sowie Hashtags hinzuzufügen. Ein paar Hashtags schlägt Vero automatisch aus dem, was auf dem Bild erkannt wird, vor.

Was sagen Fotografen zu Vero?

Vor Kurzem hat der bekannte YouTuber und Instagrammer Peter McKinnon ein viel beachtetes Video mit dem Titel „the end of instagram“ veröffentlicht. Nach mehr als zehn Jahren auf der Facebook-Plattform sei er seit einiger Zeit auch auf Vero zu finden. Laut Screenshot im Video hatte er zu dem Zeitpunkt knapp 5.000 Follower – mittlerweile sind es weit über 100.000. Kurze Zeit nach dem ersten Video hat McKinnon – motiviert vom großen Interesse – mit einem weiteren Video nachgelegt, in dem er zehn Gründe aufzählt, warum Vero Instagram in seinen Augen überlegen ist. Etwa die Möglichkeit, Fotos im Querformat durch Drehen des Smartphones zu vergrößern, die Vorschau von Videos oder das Anpinnen besonderer Inhalte auf dem Profil.

Aber nicht nur große Influencer wagen einen Neuanfang an neuen Ufern. In den Stories habe ich die Links von zahlreichen, auch kleineren Nutzern gesehen, die ihren Vero-Account bewerben. Einer von ihnen ist zum Beispiel Jörn Siegroth (@joernohneb) mit rund 12.000 Followern auf Instagram. „Es gibt zig Möglichkeiten seine Bilder zu präsentieren. Am Ende hat sich immer Instagram, aufgrund der vielen Benutzer, durchgesetzt.“ Er sagt: „Als Fotograf fühle ich mich seit mehreren Monaten oder Jahren nicht mehr wohl auf Instagram. Unabhängig von der Motivation Bilder auf Instagram zu posten, bekomme ich als Nutzer immer mehr das Gefühl, dass Instagram andere Apps wie Snapchat oder TikTok kopieren möchte. Es findet keine Weiterentwicklung im Sinne des Nutzers statt. Ganz im Gegenteil. Die App bekommt immer mehr Bugs und Probleme die nicht bereinigt werden. Die Vielzahl von Bots, die persönliche Nachrichten und Kommentare hinterlassen, müssen hier erwähnt werden.“

Ähnlich berichtet das Julia Redl (@allessoschoen_bunt) mit gut 8.000 Followern auf Instagram. „Ich habe weniger Probleme mit Instagram an sich als mit meinem eigenen Nutzerverhalten, dieses Suchtverhalten, was natürlich auch an dem Algorithmus liegt. Also habe ich irgendwie doch Probleme mit Instagram, weil letztendlich durch den Algorithmus dieses Suchtverhalten gefördert wird. Manche Bilder werden manchmal mit Likes überschüttet – und dann wird ein Bild wieder von kaum jemanden gesehen.“

Ist es leicht für sie, Follower zu gewinnen? Insgesamt ist die Nutzerbasis auf Vero natürlich (noch) deutlich kleiner – aber in Julias Augen nicht unbedingt ein Nachteil. „Ich weiß nicht, warum, aber anscheinend ist es zumindest für mich leicht auf Vero ein Publikum aufzubauen. Also in kurzer Zeit gibt es doch viele Leute, die sich anscheinend für meine Fotos interessieren, wobei ich von Hunderten und nicht von Tausenden spreche. Aber das ist auch die Frage, was man will: Tausende oder Millionen Leute, die sich interessieren, oder lieber intensivere Kontakte, mit denen auch Austausch über Fotografie möglich ist? Von daher reichen vielleicht auch einfach 100 Leute, mit denen man sich dann aber vielleicht auch etwas mehr unterhalten kann.“

Während jeder Nutzer auf Instagram eher früher als später mit Bots in Berührung kommt, hat Vero dieses Problem allem Anschein nach im Griff, sagt Jörn. „Aufgrund der Tatsache, dass es aktuell sehr wenige bis gar keine Bots auf Vero gibt, ist die Kommunikation und Sichtbarkeit untereinander viel größer. Die Likes, die Kommentare oder das Follow stammen von echten Menschen. Das ist die Grundlage für einen interessanten Austausch. Eine Community ist immer ein gegenseitiger Austausch, niemals eine Einbahnstraße und nur so kann sie gelebt werden. Auf Vero sehe ich aktuell die besten Voraussetzungen dafür. Wichtig ist jedoch, wie bei allen Plattformen: sei aktiv! Poste Bilder, schaue dir andere Accounts an, like und kommentiere was dir gefällt. Wenn du das beachtest, wirst du mit Vero sehr viel Spaß haben.“

Jörn freut sich bei Vero über die Liebe zum Detail, die bei der Entwicklung der App an den Tag gelegt wurde. „Vero macht einen erfrischenden Eindruck. Die App ist logisch aufgebaut und funktioniert in den ersten Wochen reibungslos. Es gibt viele kleine Aspekte, die gar nicht so auffallend sind, die die App positiv aussehen lassen. Zum Beispiel passt sich der Hintergrund deines Post der Farben deines Bildes an. Zum anderen kannst du deine Follower in Enge Freunde, Bekannte und Follower gruppieren. Das hat zur Folge, dass du beim Posten auswählen kannst, wer dein Bild sehen darf. Somit benötigst du keinen extra Business-Account. Du kannst deine privaten Bilder mit deinem Business oder Hobby teilen.“

Fazit

Und jetzt? Wie bei jedem Sozialen Netzwerk hängt auch Veros Nutzen hauptsächlich von der Anzahl der Mitglieder ab. Vero punktet in dieser Hinsicht allerdings mit Klasse statt Masse. Dass sich Vero seit mittlerweile sieben Jahren behaupten kann und zum wiederholten Male an Relevanz gewinnt, ist ein gutes Zeichen. Nicht nur haben die Betreiber einige Kritikpunkte an Instagram bei ihrer App ausmerzen können – sie bieten auch einige Vorteile vor allem für Fotografen, zum Beispiel durch die Möglichkeit der Verlinkung in Beiträgen, höher aufgelöste Fotos und dem System zum Einordnen der Kontakte, um Berufliches und Privates zu trennen.

„Es gibt zig Möglichkeiten seine Bilder zu präsentieren. Am Ende hat sich immer Instagram, aufgrund der vielen Benutzer, durchgesetzt“, sagt Jörn. „Die Frage, ob Vero Instagram langfristig für mich ersetzen kann, kann ich heute noch nicht beantworten. Es hängt ganz viel damit zusammen, wie viele Benutzer sich auf Vero anmelden. Wenn die Anzahl der Benutzer auf Vero weiterhin steigt, ist meine Sichtbarkeit meiner Bilder bald deutlich größer als bei Instagram, obwohl ich dort über 12.000 Follower und auf Vero nur ein Zehntel davon habe.“

Auch Julia ist noch skeptisch, weiß aber die vielen Vorteile von Vero zu schätzen. „Ob Vero Instagram für mich ersetzen kann, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Sehr angenehm finde ich, dass es keine Werbung gibt, dass die Bilder in chronologischer Reihenfolge gezeigt werden, dass man auch wie auf Instagram mit Direktnachrichten kommunizieren kann, dass man unter den verschiedenen Hashtags Bilder finden kann, die einen inspirieren. Ein bisschen fehlt die Möglichkeit, eine Story zu zeigen oder eine Umfrage zu machen, um so mit den anderen Fotografen in Kontakt treten zu können.“

Jetzt seid ihr gefragt: Wie steht ihr momentan zu Instagram? Hattet ihr zuvor von Vero gehört oder dem Netzwerk vielleicht sogar schon eine Chance gegeben?

Jonathan Kemper

Hat Technikjournalismus studiert, bloggt seit einer gefühlten Ewigkeit vor allem über die neusten Entwicklungen der Mobil-Branche und fotografiert lieber mit kompakten Kameras.