Warum die Sony A6600 eine große Enttäuschung ist

Die A6600 ist Sonys neues Flaggschiff im APS-C-Bereich und in meinen Augen eine große Enttäuschung. Ein Kommentar.

Sony bleibt hinter den eigenen Möglichkeiten zurück

Mit der A6100, der A6400 und der A6600 ist Sonys neues Trio im APS-C-Bereich komplett. Die A6100 stellt eine vergleichsweise günstige Kamera für Einsteiger dar, wer etwas mehr Leistung (wie zum Beispiel einen besseren elektronischen Sucher) benötigt, der kann zur A6400 greifen und für wirklich ambitionierte Fotografen ist die Sony A6600 gedacht. Das ist die Kamera, die Sony auch offiziell als das neue „Flaggschiff“ bezeichnet.

Ehrlich Sony? DAS ist euer neues Flaggschiff?

Versteht mich nicht falsch, die Sony A6600 ist keineswegs eine schlechte Kamera, da bin ich mir absolut sicher. Sonys Real-Time-Autofokus funktioniert fantastisch, die Kamera hat einen 5-Achsen-Bildstabilisator, einen überarbeiteten Griff, der anscheinend wirklich gut in der Hand liegen soll, den aktuell besten Akku im DSLM-Bereich, flotte 11 fps inklusive Autofokus – da sind schon einige wirklich erstklassige Merkmale und wichtige Verbesserungen im Vergleich zur Vorgängerin dabei.

Doch wenn man sich die Kamera genauer anschaut, dann wird eben schnell klar, dass Sony (ein Unternehmen, welches ja explizit für neuste Technik bekannt ist) hier weit hinter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt.

Hohe Erwartungen an die A6600

Bevor ich darauf eingehe, wo genau Sony meiner Meinung nach hinter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt, noch eine kurze Anmerkung: Ich gehe mit der A6600 vor allem deshalb so hart ins Gericht, weil Sony selbst diese Kamera jetzt als das neue APS-C-Flaggschiff bewirbt. Natürlich kann es sein, dass Sony noch eine A7000 in der Mache hat und man die A6600 mit einer A7000 an der Spitze des Lineups mit anderen Augen sehen würde.

Doch im Moment ist die A6600 eben das offizielle APS-C-Flaggschiff, das auch zum „Flaggschiff-Preis“ von stolzen 1.600 Euro verkauft wird. Ob jemals eine A7000 kommen wird, wissen wir nicht. Dementsprechend darf und muss man an die A6600 hohe Erwartungen haben.

Die A6600 will auch professionellen Ansprüchen gerecht werden, was offizielle Pressebilder wie dieses hier unterstreichen. | © Sony

Meine Kritik an der A6600

Ein alter Sensor vom Sensor-Marktführer

Die Sony A6600 arbeitet wieder mit dem gleichen (alten) 24-Megapixel-Sensor, den wir auch schon von anderen Kameras der Serie kennen. Anscheinend ist es dem Unternehmen nicht gelungen, einen fähigen Partner zu finden, der in der Lage ist, erstklassige Sensoren zu bauen… ach Moment mal, Sony ist ja eigentlich selbst der Marktführer in diesem Bereich. Wie kann es da sein, dass das neue Flaggschiff mit einem alten Sensor ausgestattet ist?!

Die Fuji X-T3 und die Fuji X-T30 (die im Übrigen ungefähr halb so viel kostet wie die A6600) arbeiten mit einem erstklassigen 26-Megapixel-Sensor, der höchstwahrscheinlich von Sony gefertigt wird und dem alten 24-Megapixel-Sensor der A6600 teilweise deutlich überlegen ist (weniger Rolling Shutter, 200 Mbit bei 4K anstatt 100 Mbit usw.). Für mich ist es also absolut unverständlich, warum Sony bei der A6600 nicht diesen oder einen anderen neuen Sensor verbaut hat.

Keine 4K-Videos mit 60p

Sonys Einsteiger-Kamera, die A6100, nimmt 4K-Videos in 30p auf – das ist super in dieser Preisklasse, vor allem wenn der Straßenpreis der A6100 mit der Zeit sinkt.

Was nicht so super ist ist die Tatsache, dass das Flaggschiff, die A6600, ebenfalls nur 4K-Videos mit 30p aufnimmt. Und das sogar noch mit leichtem Crop-Faktor. 4K mit 60p? Fehlanzeige. Das ist zu wenig für eine Ende 2019 vorgestelltes Flaggschiff, das mit einer Fuji X-T3 konkurrieren will.

Eine Speicherkarte aus der Steinzeit

Die Serienbildgeschwindigkeit von 11 fps geht soweit eigentlich in Ordnung. Was aber definitiv nicht in Ordnung geht ist die Tatsache, dass die A6600 nur UHS-I-Speicherkarten unterstützt. Dementsprechend lange dauert es, bis der Zwischenspeicher leer ist und alle Bilder auf die Speicherkarten geschrieben sind. UHS-II ist inzwischen absoluter Standard und seit gefühlten 10 Jahren auf dem Markt. Wenn eine Flaggschiff diesen Standard nicht unterstützt, dann ist das in meinen Augen einfach nur peinlich.

Die A6600 will ein Flaggschiff sein – und scheitert

Ich könnte bei ein paar Punkten noch so weiter machen. Der Sucher ist mit seinen 2,4 Millionen Bildpunkten zum Beispiel nicht auf dem allerneusten Stand und das Display lässt sich nicht seitlich aus dem Gehäuse herausklappen wie bei Canon. Das sind alles Punkte, wo Sony weit hinter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt. Aber ich denke ihr versteht schon, worauf ich hinaus will.

Die Sony A6600 ist sicherlich keine schlechte Kamera, aber sie ist eine Kamera, bei der Sony die Handbremse zu sehr angezogen hat. Klar, das hat bestimmt seine Gründe. Vielleicht will man ambitionierte Fotografen unbedingt zu einer Vollformatkamera drängen, oder Sony hat doch noch eine A7000 in der Mache, die dann irgendwann in den nächsten Monaten oder im Jahr 2020 auf den Markt kommen soll.

Aber Sony will bis 2021 Marktführer werden und scheinbar vergisst das Unternehmen dabei, dass die meisten Leute immernoch mit APS-C fotografieren, und nicht mit Vollformat. Und mit einer Kamera wie der A6600 kommt man an Fujifilm eben nicht so schnell vorbei – auch wenn Sonys A6000er Reihe selbstverständlich ihre Stärken hat.

Was denkt ihr über die A6600? Könnt ihr meine Gedanken nachvollziehen oder seid ihr anderer Meinung?

Quelle Bilder: © Sony

Mark Göpferich

Gründer von Photografix, der sich seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue von Fotografie und Kameras begeistern lässt. Mit mehr als 4.000 Artikeln hier auf Photografix inzwischen so etwas wie ein Experte für neue Kameras.