Canon kündigt große Offensive an, will 50% Marktanteil

Canon hat im Zuge einer Konferenz eine große Offensive angekündigt. Insgesamt möchte Canon nicht nur Marktführer bleiben, sondern 50% des gesamten Marktes kontrollieren!

Canon geht in die Offensive

Vor wenigen Tagen hat Canon die jährliche „Corporate Strategy Conference“ abgehalten, bei der das Unternehmen ausführlich über die eigenen Ziele und Pläne gesprochen hat. Dass sich ein Konzern bei einer solchen Konferenz stets optimistisch zeigt, ist klar, schließlich sollen Kunden, Presse und Anleger beeindruckt werden. Doch Canon präsentiert sich in diesem Jahr nicht nur zuversichtlich, sondern richtig kämpferisch. Das Unternehmen kündigt eine große Offensive an, vor allem im Bereich der spiegellosen Systemkameras – was nach den Berichten der letzten Tage insgesamt nicht weiter verwundern dürfte.

Wörtlich sagt Canon folgendes:

„Zusätzlich zu unserem überwältigenden Anteil am DSLR-Markt gehen wir in die Offensive und arbeiten daran, unseren Umsatz im spiegellosen Sektor, der ein bemerkenswertes Wachstum aufweist, auszubauen. Damit können wir unser Ziel von 50% Marktanteil des gesamten Marktes für Wechselobjektivkameras erreichen.“

Das Marktführer zeigt sich hier also extrem selbstbewusst und kämpferisch. 50% Marktanteil, das ist schon eine ordentliche Hausmarke, vor allem weil im Grunde jeder Hersteller inzwischen interessante Kameras im Angebot hat. Man darf also darauf hoffen, dass Canon in den nächsten Monaten einige wirklich interessante neue Produkte vorgestellt wird – vor allem im Bereich der DSLMs. Die kürzlich vorgestellt Canon EOS M50 könnte da eine Art „Startschuss“ gewesen sein.

Meine persönliche Meinung

Hier meine spontanen ersten Gedanken zu dieser Meldung:

Canon möchte also den Bereich der spiegellosen Systemkameras nutzen, um sich insgesamt mehr Marktanteile zu sichern. Mein erster Gedanke dazu war: Okay, dann müssen sie jetzt endlich in spiegellose Vollformatkameras investieren und Sony den Kampf ansagen – und das wird alles andere als einfach. Sony hat eine A9, eine A7r III und eine A7 III im Angebot, hinzu kommt vermutlich bald eine A7s III. Das sind drei bis vier absolute Spitzenmodelle, die auf dem neusten Stand der Technik sind. Wie will Canon da dagegen halten? Dass Canon mit einem Schlag vier High-End-DSLMs vorstellt, die technisch mit den Sonys mithalten können, davon darf man nachts natürlich träumen, aber passieren wird das zu 99 Prozent nicht. Und wie ist es mit den Objektiven? Adapter für vorhandene EF-Objektive? Für den Anfang sicherlich keine schlechte Lösung, aber Adapter sind immer mit Kompromissen verbunden. DSLM mit EF-Mount? Komplett neue Objektive? Alles nicht so einfach und mit Nachteilen verbunden.

Sprich mein erster Gedanke war: Mit eigenen Vollformat-DSLMs kann Canon sicherlich viele Kunden HALTEN, aber damit Kunden von Sony, Fuji usw. zurückzugewinnen (und damit die Marktanteile zu vergrößern), wird verdammt schwierig.

Mein zweiter Gedanke war dann: Moment mal, Marktanteile vergrößern, dazu braucht man doch gar keine High-End-Kameras. Das ist doch auch mit Einsteiger- und Mittelklasse-Kameras möglich! Und ich glaube genau hier lag mein Denkfehler. Hier in Europa und in Nordamerika denken wir natürlich zuerst mal an Modelle wie die Sony A7 III, die Fuji X-T2 oder Panasonic G9, wenn es um DSLMs geht. Hinzu kommt, dass wir uns hier auf Photografix, eine Seite für Fotoverrückte wie euch und mich, natürlich primär mit etwas teureren Modellen und nicht mit Einsteigerkameras beschäftigen.

Canon hat 2017 mit der Canon EOS M6, einer sagen wir „durchschnittlichen DSLM“, ein Wachstum von 70 Prozent geschafft. Das liegt unter anderem daran, dass man den asiatischen Markt nicht mit dem europäischen oder nordamerikanischen vergleichen kann. Günstige Kameras verkaufen sich dort wesentlich besser, was auch erklärt, wie Canon in den letzten Jahren in Japan mehr Spiegellose verkaufen konnte als Sony oder Fuji. Sony mag im High-End-Bereich zwar interessantere DSLMs im Angebot haben, aber wenn Sony in den USA eine A9 verkauft, verkauft Canon in Asien vermutlich fünf Einsteiger-DSLMs. So kommt Canon zu mehr Marktanteilen, selbst wenn Sony an der einen A9 vielleicht mehr verdient als Canon an fünf Einsteiger-Kameras (was ich nicht weiß, ich will nur darauf aufmerksam machen, dass mehr Marktanteile nicht automatisch etwas mit mehr Gewinn zu tun haben. Und Gewinn ist für die Hersteller letztendlich wichtiger als Marktanteile.)

Fazit: Canon will mehr Marktanteile und Canon will vor allem mehr Marktanteile bei DSLMs.

Den Vollformatmarkt hat Sony ziemlich gut unter Kontrolle, hier wird Canon zumindest kurzfristig gesehen nicht wahnsinnig viele Marktanteile erobern können – aber selbstverständlich muss man hier aktiv werden, um keine Kunden an Sony zu verlieren und um Neueinsteiger abgreifen zu können.

Im Bereich der teuren APS-C-Kameras kommt man so schnell nicht an Fuji vorbei. Nicht unbedingt wegen der Kameras, sondern wegen der Objektive. Fujifilm ist hier Jahre voraus und EOS M Objektive sind nach wie vor absolute Mangelware bei Canon.

Ambitionierte Fotografen wird die geringe Auswahl bei den EOS M Objektiven möglicherweise stören, doch viele Einsteiger achten da gar nicht drauf. Ich vermute, dass Canon hier, im Bereich der Einsteiger-DSLMs, in den nächsten Monaten und Jahren so richtig Gas geben möchte. So gewinnt man Neukunden, bindet sie an das eigene System und irgendwann wollen sich einige dieser Neukunden dann vielleicht auch eine richtig teure DSLM kaufen. Und bei wem kaufen sie dann? Richtig, bei Canon. Weil Canon gute Kameras liefert und man als Kunde in der Regel seinem Hersteller treu bleibt, wenn man zufrieden ist.

Ich bin wie immer an euren Meinungen interessiert und freue mich über zahlreiche Kommentare!

Mark Göpferich

Gründer von Photografix, der sich seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue von Fotografie und Kameras begeistern lässt. Mit mehr als 4.000 Artikeln hier auf Photografix inzwischen so etwas wie ein Experte für neue Kameras.