Jede Frau ist anders. Sie mag naturverbunden, charakterstark und entschlossen, stilvoll, nachdenklich, exotisch oder melancholisch sein – etwas Besonderes ist jedoch immer in ihr versteckt. Gabrielle Shamon schafft es mit ihren Portraits das Besondere jeder Frau einzufangen, es festzuhalten und liebevoll darzustellen.
Wie oft werden wir in unserer Gesellschaft dazu verführt, die Frau an sich zu idealisieren, ihr in unserer Vorstellung konkrete Gesichts- und Charakterzüge, ja sogar konkrete Körpermaße vorzuschreiben. Anhand dieser Kriterien kann schnell sortiert werden und auch die Frau weiß, wonach sie sich zu richten hat. Laster, Ticks, Sturheit, ja selbst ein ungewöhliches Hobby sind teilweise verpöhnt. Ecken und Kanten werden geschliffen und glatt gebügelt, bis die Betroffene sich so weit verbogen hat, dass sie in etwa in das Muster passt.
Ist das Schöne an Bildern nicht, dass jedem ein anderes besser gefällt, so wie bei Wein, bei Büchern, Filmen oder Musik? Wieso sollte es bei Frauen anders sein?
Shamon fotografiert Mädchen und junge Frauen auf eine bezaubernde Weise und versetzt sie in eine Szenerie, in der sie sich entfalten können. Sie war außerdem so nett, uns einen kleinen Einblick in ihr Inneres und ihren Bezug zu den Bildern zu geben (durch Anführungszeichen gekennzeichnet).
„Feminin“ bedeutet für mich, die Qualitäten einer Frau zu haben. Wenn ich das Wesen dieses Femininen in meinen Bildern darstellen möchte, ist das für mich ein Hauch von Verletzbarkeit und etwas sehr Dezentes. Qualitäten, mit denen sich, wie ich denke, viele Frauen identifizieren können.
Emerald
Bei diesem Bild musste ich unwillkürlich an das Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ denken. Es hat etwas sehr romatisch märchenhaftes. Wie eine Fee oder eine Waldprinzessin sitzt Emerald auf einem schmalen Pfad zwischen zwei Rosenhecken. Die Blüten der einen sind weiß/rosa die der anderen rot. Emerald sitzt auf der Schwelle, doch es ist eigentlich deutlich, zu welcher Seite es sie zieht. Den Blick von den weißen Rosen abgewendet, deren Blütenblätter schon den Erdboden bedecken, scheint es, als würden ihre rötlichen Haare, ihr rotes Kleid und die Farbe der Lippen andeuten, dass etwas zu Ende gegangen ist, dass Emerald vom Schneeweißchen zum Rosenrot geworden ist, oder dass ihr jemand fehlt, der zur weißen Seite des Weges gehört. Wir wissen nicht, was Emerald denkt, aber das ist ja auch das schöne an Märchen, man kann sie sich selbst ausdenken…
Little warrior
Fernab von allem Leben, von allem Schutz, aller Wärme, die Familie und Umfeld spenden können, sitzt dieses Mädchen einer jungen Löwin gleich auf einem rauen Feld in der Wildnis. Der Blick ist in die Ferne gerichtet, die nackten Füße, die umschlungenen Knie und die unschuldigen Züge zeigen, wie jung das Mädchen noch sein muss. Sie trägt nichts bei sich, ist nicht einmal vor dem Wetter geschützt, denn die Haare wehen im Wind. Und doch scheint sie entschlossen sein zu kämpfen, wenn sie muss, zu verteidigen, was ihr lieb ist.
Charlotte II
Auch dieses Mädchen wirkt noch jung und trotzdem sehr entschlossen. Das einfallende Licht sowie der Kontrast der Farben von Augen, Lippen und Fenstersims tragen zu einer Komposition bei, die Weiches mit Starkem verbindet.
Eden
In Blumenranken gebettet liegt das Mädchen in einer Badewanne. Ihre Hände liegen auf ihrem Körper, sie scheint zu schlafen, ja vielleicht sogar zu träumen. Durch die sie umschließenden Blättergirlanden blitzen Teile eines weißen Kleides, eines Hochzeitskleides?, durch. Malerisch liegt sie da, als warte sie auf einen Prinzen, der sie wach küsst, sodass ihr Paradies im Garten Eden perfekt ist.
Almost Autumn
Den Blick in die Ferne gerichtet, als denke sie über etwas in der Vergangenheit nach, das nicht mehr zu ändern ist, besitzt diese Frau doch eine große Präsenz. Noch viel präsenter wird sie durch ihren Namen. Es ist keine andere als Rachel Baran.
Her Morning Elegance
Mit diesem Boudoir-Shoot schafft Gabrielle Shamon es, die Weiblichkeit des Models sehr dezent in Szene zu setzen. In gedeckten Tönen gehalten und mit klugem Fokus zeigt das Bild zwar Haut und Kurven, der erste Blick gilt aber trotzdem dem Gesicht des Mädchens. Und gerade das ist das Verführerische daran.
Dieses Bild hat für mich etwas sehr Zerbrechliches. Trotz des Nasenpiercings und dem dunklen Lidstrich wirkt das Mädchen fast ängstlich. Durch den Schleier dringen Sonnenstrahlen und malen ihr ein Muster auf die Wange. Die Augen blicken zweifelnd, als wüsste sie nicht, was sie hinter dem Schleier erwartet.
No more wishes
Dieses Foto wird von herumflatternden Kranichen dominiert. Das flehende Mädchen ist aus dem Zentrum des Bildes verdrängt worden, die gefalteten Origami-Kraniche, ihre Wünsche, flattern davon, ohne, dass einer von ihnen Farbe annimmt…
Jedes der Bilder hat seine eigene Geschichte und für jeden von uns, der wir mit unserer eigenen Geschichte an das Bild herangehen, ist es eine andere. Man kann sich mit jeder mehr oder weniger identifizieren, sie anders werten. Am Ende bleiben es aber in vieler Hinsicht Bilder von wunderschönen Frauen.
„Macht es für Dich einen Unterschied, ob Du mit Frauen oder Männern shootest?“
„Ja. Zuerst habe ich darüber nicht so nachgedacht. Rückblickend denke ich aber, dass es damit zu tun hat, wie ich mit dem Fotografieren begonnen habe: Mit 14 hatte ich kaum Jungs im Freundeskreis und so habe ich eben meine hübschen Freundinnen fotografiert. Das hat sich bewährt und auch jetzt, reifer und erfahrener als damals, fühle ich mich immer noch sehr wohl, wenn ich Frauen fotografiere, weil ich mich eben gut mit ihnen identifizieren kann. Natürlich glaube ich stark an Gleichstellung und gegenseitige Ergänzung der Geschlechter, doch Frauen werden für mich immer dieses Zarte und Ungetrübte haben, das sie von innen zum Strahlen bringt und für mich das Schönste und Unglaublichste ist, was wir festhalten können.“
Mehr von Gabrielle findet Ihr auf ihrer Facebook-Seite und ihrem Flickr-Account.