Leica Inspiration & Praxis

Leica Picture of the Year: Was sagt ihr zum Gewinner 2022?

Nach dem bunten Gewinner im Jahr 2021 geht der Preis „Leica Picture of the Year“ in diesem Jahr an einen Schwarz-Weiß-Schnappschuss.

Das zweite Bild des Jahres: Thomas Hoepker

Erst im letzten Jahr wurde mit dem Leica Picture of the Year zum ersten Mal ein Fotograf für seine besondere Leistung ausgezeichnet. 2021 durfte Ralph Gibson diesen Titel mit nach Hause nehmen. Zu sehen war auf dem Bild der Ausschnitt eines Motorboots. Wie Gibson ist auch der diesjährige Preisträger Teil von Leicas „Hall of Fame“: Thomas Hoepker.

Im Gegensatz zum farbenfrohen Gewinner vom letzten Jahr, das auch ein wenig Werbung für die damals brandneue Leica M11 machte, geht es dieses Mal einige Jahrzehnte in die Vergangenheit. Die ausgezeichnete Schwarzweiß-Aufnahme entstand während eines mehrmonatigen Roadtrips im Jahr 1963. Hoepker war im Auftrag des deutschen Magazins „Kristall“ in den USA unterwegs, wo er Mitten im Straßenverkehr von New York einen Linienbus fotografiert.

„Ich mag seltsame und lustige Fotos!“

„Ein Bus fuhr vorbei und ich sah dieses seltsame Plakat für Pepto-Bismol (ein Mittel gegen Magenprobleme)“, so Hoepker. „Ich machte ein Bild und vergaß es. Als ich mir Wochen später meine Kontaktabzüge ansah, bemerkte ich, dass der Mann und die Frau im Bus ein bisschen wie Menschen mit Verdauungsbeschwerden aussahen. Ich mag seltsame und lustige Fotos!“

Bild: Bodo Philipp

Wie kaum ein anderer habe der 1936 in Deutschland geborene und seit Langem in den USA lebende Hoepker den deutschen Bildjournalismus seit den 1960er-Jahren mitgeprägt, lobpreist Leica seinen Preisträger. Hoepker war anfangs als fester Mitarbeiter wichtiger Magazine, als Fotograf und Korrespondent, später als Artdirector tätig. Der international renommierter Magnum-Fotograf zähle heute zu den wichtigsten Vertretern eines engagierten, empathischen Bildjournalismus.

„Immer wieder zeigt sich in den Aufnahmen Hoepkers sein Interesse an gesellschaftlichen Themen und seine besondere Empathie für die von ihm porträtierten Menschen, ganz gleich ob prominent oder namenlos“, heißt es in Leicas Pressemitteilung weiterhin. „Dieser humanistische Ansatz war für den Fotografen immer bestimmend; Authentizität und die fotografische Zeugnishaftigkeit sind die prägenden Konstanten seiner Arbeit. Gern bezeichnet er sich selbst immer ganz bescheiden als Auftragsfotograf, als ‚Bilderfabrikant‘.“

Limitiertes Sammlerobjekt

Mit dem Picture of the Year will Leica übrigens nicht nur einen besonderen Fotografen hervorheben, sondern hat daraus auch ein Sammelobjekt für Liebhaber gemacht. In einer limitierten Auflage von 50 Exemplaren können Abzüge samt Editionsnummer und Schmuckmappe bei den Leica-Galerien erworben werden.

Was haltet ihr von der Wahl?

Beitragsbild: Clam Lo

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Mirko

so etwas beflügelt mich einen Scanner & Chemie wieder anzuschaffen

Rolf Carl

Tja, für ein Foto mit Leica ist das wohl das höchste der Gefühle. Ehrlich gesagt, hätte ich sogar noch weniger erwartet.

Ingo

Rolf Carl, gib der Streetfotografie doch eine Chance.

Rolf Carl

Ingo, da habe ich aber schon viel besseres gesehen, von Vivian Maier z.B. Sie hat gezeigt, dass man keine Leica braucht, um tolle Bilder hinzukriegen. Abgesehen davon würde Leica den Award wohl sowieso keiner Nanny überreichen.

Ingo

Also, Rolf Carl, Vivian Maier hat ja wohl mit einer Rolleiflex fotografiert. Wie kann das denn dann Streetfotografie sein?
Sie war aber sicher eine zauberhafte Nanny.
Nein, Scherz beiseite. Sie hat sehr einfühlsam fotografiert und ein tolles Auge für die kleinen Momente gehabt. Großartige Streetfotografie. Thomas Hoepker war ein Presse- und Magazinfotograf. Er ist natürlich anders an die Bilder herangegangen, hat die Motive eher in den Kontext der Umgebung gestellt. Während Vivian Maier den Fokus mehr auf die Menschen selber gelenkt hat. Ich denke, beide haben doch wirklich gute Bilder erstellt. Das Foto von Muhammad Ali und seiner Faust ist doch ikonisch.
Vivian Maier wurde ja zeitlebens leider nicht für ihre Fotos gewürdigt, sie hätte sicher auch ein Platz in der Hall of Fame verdient (ist ja nunmal von Leica).

Rolf Carl

Du bist aber nicht schlecht! Was heisst, ihre Bilder wurden zeitlebens nicht gewürdigt? Sie wurden ja erst nach ihrem Tode entdeckt, durch ihre Erben. Die meisten Filme waren noch gar nicht entwickelt, weil sie kein Geld dafür hatte.

Ja, ich gebe dir recht, sie hätte den Award verdient gehabt. Schade, dass sie nicht mit Leica fotografiert hat. Das war ihr vermutlich einfach zu teuer.

Ingo

Leica war damals jedenfalls nicht so teuer wie eine Rolleiflex. Sie hatte ja das Landgut in Frankreich geerbt, damit wird sie sich die Kamera geleistet haben.
Vivian Maier scheint die Fotografie schon fast als Therapie betrieben zu haben, scheinbar ging es dabei eher um sie selbst (auch mit sehr vielen Selbstportraits dokumentiert) als darum, sich als Fotografin einen Namen zu machen. Sie hat scheinbar niemandem je eines ihrer Fotos gezeigt, also auch nicht die Prints. Insofern konnte sie ja nicht gewürdigt worden sein, wie du ja sagst (und ich es meinte).
Anscheinend war sie aber auch eine sehr schwierige Frau und ganz sicher kein geselliger Mensch oder gar ein Lebemann (-frau?) wie Robert Capa zum Beispiel.
Ich frage mich, ob sie sich wirklich selbst als Fotografin gesehen hat.

Rolf Carl

Wusste ich nicht, dass Rolleiflex teurer als Leica war. Dann wundert es mich nicht, dass ihre Bilder auch technisch hervorragend sind.
Ich denke nicht, dass sie sich als Fotografin gesehen hat, es war einfach ihr Hobby, das sie vor allem auf dem Weg zur Arbeit und in der Freizeit ausgeübt hat. Bei ihr sind die Bilder aber sehr authentisch, derweil Robert Capa’s Ruf doch eher zweifelhaft ist.

Ingo

Jedenfalls hatte Robert Capa einen interessanten Lebenswandel. Mit dem Preis könntest du Recht haben, ist etwas schwer, den von der Rolleiflex zu der Zeit zu finden. Aber Leica scheint auch da deutlich teurer gewesen zu sein.

Rolf Carl

Ja, klar, als Kriegsfotograf ist es sicher nie langweilig. Aber eben, ihm haftet der Ruf an, dass mehrere Bilder gestellt waren.

Ingo

Es ist sicher nur ein Schnappschuss. Aber das Bild tut genau das, was Streetfotografie erreichen sollte. Es weckt Emotionen.
Und es ist einzigartig, so wird das Motiv nicht wiederkommen. Ausserdem zeigt es viel über die Menschen zu der Zeit. Ich empfinde das Foto als vielschichtig, und für mich ist Thomas Hoepker zu Recht einer der großen Fotografen.
Aber natürlich ist das Geschmacksache. Wenn ich spontan an ein Gewinner-Foto denke sollte, so wäre es das Mode-Foto mit den Beinen des großen Hundes, den Beinen der Frau und dem kleinen Hund mit der Mütze von Elliott Erwitt mit dem Titel Felix Gladys and Rover. Das sagt auch sehr viel über die Mode, die damalige Zeit, die Sicht des Menschen auf die Hunde und den Humor des Fotografen, es ist ebenfalls vielschichtig.

N1USER

Es zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass früher doch nicht alles besser war 😉

Sebastian

Das Bild ist klasse! Völlig egal mit welcher Kamera es entstanden ist.

Dieses Leica Gebashe gleich wieder…
So gut wie jede Kamera hätte dieses Bild machen können, aber eben nicht jeder Fotograf.
Leica prämiert halt Leica Fotografen und das Bild hats auch verdient.

Roman.Tisch

Sehr schön formuliert 👍

Martin S-K

So gut wie jede Kamera hätte dieses Bild machen können, aber eben nicht jeder Fotograf.

Jep, und ich würde noch hinzufügen, damals wie auch heute!

Aus der kleinen Beschreibung dazu, kommt aber auch sehr schön raus, dass er auch erst im nachhinein auf das Bild aufmerksam wurde und dessen Bedeutung erkannte. Das zeigt, dass auch immer eine gewisse Komponente an Glück und Zufall beim Fotografieren (damals wie heute) mit im Spiel ist neben dem Können.
Aber wie sagt man gerne: Glück muss man sich teilweise auch erarbeiten!
Gruß

Lutz

Wird hier pointiert diskutiert, oder muss man hier der Herde der Neider beruhigen. Neid ist ein schlechter Berater.

Rüdiger

Also bei mir würde das Foto keine besondere Beachtung finden. Zwei Menschen die eher so aussehen, als wollten sie gerade nicht fotografiert werden. Das Plakat quetscht sich an den Bildrand, der Ausschnitt scheint mir etwas zu eng. Der unten rechts platzierte Copyright Vermerk macht es natürlich nicht besser.

Die Spiegelungen in Brillen und Busfenster – gut, die machen das Bild authentisch, stören aber auch ein wenig.

Ob die typischen Nieten auf dem Bus jetzt eher stören oder den Charakter der 60er hervorheben, kann ich nicht so genau sagen.

Laut Fotograf also ein Schnappschuss mit humoristischer Aussage, die auf Verdauungsbeschwerden basiert. Finde ich ein bisschen zu einfach gestrickt.

Jetzt könnte natürlich die Gesamtkomposition aller Faktoren das ganze gerade gut machen, aber das ist zumindest bei mir nicht der Fall.

Rolf Carl

Bezeichnenderweise hat er ja erst im Nachhinein gemerkt, dass das Bild lustig ist (wobei ich jetzt nicht gerade etwas lustiges sehe), mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten. Ein guter Fotograf hätte das schon vor dem Auslösen gesehen und bewusst fotografiert.
Gute Bildanalyse! Grottenschief ist das Ganze auch noch.

Roman.Tisch

Hier vergessen zwei Meisterfotografen anscheinend, dass das Foto in 1963 entstanden ist und welche Kameras und Möglichkeiten man da hatte. Keinen EVF, kein Display, keinen AF, keine Wasserwaage im Display, keine Möglichkeit das Foto sofort zu kontrollieren…
Bedenkt man all das, finde ich das Foto sehr gelungen, v.a. da er die Situation plötzlich entdeckte und keinerlei Zeit hatte, all das zu befolgen, was die Meisterfotografen Rüdiger und Rolf Carl hier runterbeten.
Streetfotografie eben. Man entdeckt eine interessante Situation und hält sie fest. Wer da anfängt lange zu überlegen und alles zu kontrollieren, hat verloren, denn da ist die Situation schon längst vorbei.

Rolf Carl

Sieh dir doch mal die Bilder von Vivian Maier an, das war eine Amateurin, ohne Leica. Da habe ich keine schiefen Bilder gesehen, sondern durchs Band Kunstwerke. Wenn Leica für die Hall of Fame so ein Bild auswählen muss, spricht das eigentlich Bände.

Wenn es 1963 so viele gute Fotografen wie heute gegeben hätte, wären die Bilder von Hoepkers unter „ferner liefen“ gelistet gewesen.

Rüdiger

Ich bin sicherlich kein Meisterfotograf und mir fehlt mangels Alter der Bezug zur Fotografie in 1963. Aber bei „Leica’s Picture of the Year“ habe ich doch gewisse Erwartungen an das Bild.

Es geht Leica wohl eher um das Gesamtwerk des Fotografen und für das Picture of the Year nimmt man dann ein Bild, das etwas aus der Reihe tanzt und nichts, was eh schon jeder kennt. Aber ich bleibe dabei, das Bild alleine beeindruckt mich nicht allzu sehr.

Alfred Proksch

Bilder des Jahres! Falsch gewählter Titel! Hier geht es doch eher um den Bildermacher. Egal – mir sind historische Bilder wichtig, besonders wenn sie den damaligen Alltag zeigen.

Sammlerstücke oder limitierte Auflagen sehe ich als professionelle Geldmacherei oder noch schlimmer als reine Spekulation. Das ist eigentlich Ausbeutung vom mühsam erworbenen Ruf des gezeigten Fotografen durch Dritte.

Das Leica gerade jetzt die neue analoge M6 vorgestellt hat ist sicher kein Zufall.

Andererseits sind digitale Bilder eher „Cent-wertig“ – Bilder von gestern werden verschenkt weil es heute schon 100.000 neue gibt.

Leonhard

Nein, welch ein wundervolles Bild, ein wahres Meisterwerk!

Welch ein Glück für uns, dass man auf Filmen noch nichts in den Abfall verschieben konnte, sonst wäre uns dieses Meisterwerk wahrscheinlich verloren gegangen.

Mir stellt sich bei der begeisterten Betrachtung eigentlich folgende Frage: War der Fotograf krumm, der Film schief eingelegt oder ist dies dieser besondere Look, von dem hier immer gesprochen wird?

Rolf Carl

Das ist der berühmte Leica-Look. Das hat er aber erst gemerkt, als er das Foto später zufällig mal angeschaut hat. So arbeiten halt berühmte Fotografen, einfach mal draufgehalten und irgendetwas wird dann schon brauchbar sein. Und wenn nicht, kann man sich immer noch eine Geschichte zurechtlegen.

Fabian

Moin, ich habe den Artikel und Kommentare gelesen und mit Abstand noch mal gelesen. Was ich immer noch nicht verstanden habe ist, warum das Bild des Jahres 2022, aus dem Jahr 1963 kommt. Und von jemandem der schon lange – und völlig zu recht – als einer der ganz Grossen in der Reportagefotografie gilt. Etwas zeitnäher und noch nicht so bekannt fände ich würdiger.

So siehts bisschen wie Selbstbeweireucherung von Leica aus, passend zum Vorstellungstermin einer – ZUFALL! – analog Kamera.

Aus Alter des Photographen und Bild, könnte man leicht schliessen, das die grosse Zeit von Leica schon lange vorbei ist. Soweit ich weiss, siehts bei den Verkaufszahlen aber gerade prima aus, für Leica. So scheint man sich etwas vom Renommee des Photographen abschneiden zu wollen, was bei Leica komisch wirkt. Quasi Selbstauszeichnung von/für Leica.

Rolf Carl

Ganz einfach: 99% der aktuellen Leicas stehen in einer Vitrine oder werden nur für den Spaziergang um den Hals gehängt. Deshalb ist die heutige Auswahl an guten Bildern eher mager, und es müssen daher halt uralte Fotos in die Bresche springen.

Fabian

So was in der Art muss es wohl sein. LOL ROFL

Leonhard

Mann, ihr habt beide keine Ahnung, aber davon viel!

Warum heißt eine Sucherbildkamera denn so? Ganz einfach, weil man ewig suchen muss, bis man mal ein brauchbares Bild findet, wenn es dann schief ist darf man es nicht krumm nehmen, versteht doch eigentlich jeder.

Ausserdem war 1963 ein wundervolles Jahr. Ich glaubte noch an den Nikolaus, mein Opa trank noch Schoppen aus, es waren noch mehr Profikameras mit rotem Punkt im Einsatz als es rote Punkte auf den Grabsteinen von Profifotografen gab und die Welt war noch in Ordnung.

Heute hat mein Eheweib hier die Traktorparade abgelichtet, natürlich mit der R3 und dieser komischen Fahrzeugverfolgung, die R3 schafft diese 25 km/h Stinker, also eine Nikon wohl auch und auch eine Sony, wenn man sich mit so einem Gehäuse denn in die Öffentlichkeit wagt, aber diese Überschleunigung schafft eben nicht jede Ablichtungsmaschine, aber egal, was wollte ich nun eigentlich wieder sagen?

Ingo

Naja, ohne die Wurzeln in der Historie hätte Leica heute keine Chance. Rein von den technischen Möglichkeiten her ist doch jede Sony A7III deutlich schneller und somit besser für Streetfotografie geeignet. Wer arbeitet heute schon mit geschätzten Entfernungen.
Leica lebt aber vom Ruf der großen Fotografen, die mit Leica gearbeitet hatten. Von daher suchen sie natürlich auch die Bilder der großen Zeit der Leica-Fotografen. Wäre mal interessant zu erfahren, wieviele Leica M heute beruflich im Einsatz sind.

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