Mit der A9 III bringt Sony erstmalig einen “Globalen Verschluss” in eine Systemkamera. Die neue Technologie ermöglicht höhere Seriengeschwindigkeiten, eliminiert Rolling-Shutter-Effekte und bringt einige weitere Vorteile. Aber ist das wirklich die Zukunft der Fotografie und wie schlagen sich die Vorteile im Alltag? Ich habe die A9 III von Sony ausprobiert!
Lange Zeit vertrauten Kameras auf Filme, um Motive festzuhalten. Dann wurden diese durch Spiegel und Sensoren ersetzt – und jetzt will Sony auch noch dem mechanischem Verschluss an den Kragen. Denn der Sensor der A9 III kommt dank “Globalem Verschluss” ohne einen mechanischen Verschluss aus. Und vermeidet dabei Rolling-Shutter-Effekte und Nachteile bei Synchronisationszeiten vollkommen.
Wie sich das Fotografieren mit der A9 III aber anfühlt und welche Vorteile der neue Sensor wirklich bringt, das lässt sich von Datenblätter natürlich nicht ablesen. Spannend fand ich es daher, die A9 III einmal auszuprobieren. Sony stellte uns die Kamera circa zwei Wochen lang zusammen mit zwei G-Master-Objektiven und einer CFexpress Typ A Speicherkarte zur Verfügung. Anschließend musste das große Sony-Paket zurück zum Hersteller – bei diesem Text handelt es sich also um einen reinen redaktionellen Artikel.
Zu dem es aber, und das ist ja ganz neu bei Photografix, auch ein Video gibt! Ihr findet es direkt hier über dem Absatz eingebunden. Falls ihr uns zusätzlich auch auf YouTube folgen möchtet, findet ihr hier unseren neuen Kanal. Da ich von meinen Wochenrückblicken weiß, dass viele von Euch gerne auf Photografix lesen, habe ich meine Gedanken aber noch einmal ausformuliert.
Gehäuse und Bedienung
Auch wenn ich mich in diesem Artikel ein wenig auf den Sensor konzentriere, möchte ich kurz über das Gehäuse und die Bedienung sprechen. Die A9 III erinnert sowohl im Design als auch in der Benutzung stark an Sonys bekannte Profi-Gehäuse. Mit einem etwas größerem Griff und einigen auf die Sport- und Tierfotografie optimierten Funktionen führt der Hersteller aber ein paar Neuerungen ein, auf die ich kurz eingehen will.
Die erste Neuerung ist ein simpler Knopf, den es in seiner Platzierung bei Sony bisher noch nicht gab. Denn mit dem rechten Mittelfinger lässt sich zwischen Objektiv und Handgriff nun der “C5”-Knopf frei belegen und mehr oder weniger bequem drücken. Hier platzieren auch einige andere Hersteller Knöpfe, bei Sony hat der C5-Knopf aber standardmäßig eine ziemlich sinnvolle Funktion.
Denn ab Werk aktiviert Ihr bei Gedrückthalten des Knopfes einen Geschwindigkeits-Boost, der die schnellstmögliche Seriengeschwindigkeit der A9 III aktiviert. Der Speed-Boost funktioniert in Kombination mit allen einstellbaren Seriengeschwindigkeiten, die langsamer als 120 Bilder pro Sekunde sind. Und wie schnell die A9 III fotografieren soll, könnt Ihr über ein Einstellrad oben links am Gehäuse festlegen. Erfreulich ist dabei, dass die Sternchen-Position noch immer das Einstellen über das Kamera-Menü ermöglicht. Wer das neue Einstellrad unpraktisch findet, der kann so auf die gewohnte Bedienung zurückwechseln.
Als weitere Neuerung konnte Sony die Ergonomie des Griffes weiter optimieren. Im Vergleich zur A7 IV, die ich sonst als Freizeit- und Arbeitskamera nutze, fiel auf, dass ich vor allem mehr Sicherheit mit schweren Objektiven genießen konnte. Sony stellte mir für den Testzeitraum auch das 70-200mm f/2.8 GM Mark II zur Verfügung. Und mit diesem habe ich ohne große Bedenken ohne Kameragurt freihand fotografiert.
Davon abgesehen bleibt Sony alten Linien treu. Wer schon einmal eine A9 II, eine A7R V oder eine A7 IV genutzt hat, wird sich bei der A9 III umgehend wohlfühlen. Und in der Bedienung womöglich die größten Unterschiede bei den Displays bemerken.
Display und Sucher
Denn als neues Profi-Flaggschiff spart Sony erfreulicherweise nicht beim elektronischen Sucher und beim Display. Wie die A7CR zeigt, ist das nicht unbedingt selbstverständlich – und die hochwertigeren Möglichkeiten zur Motiv- und Bildkontrolle wissen im Alltag immer wieder zu überzeugen.
Als EVF setzt Sony auf ein 0,67 Zoll großes OLED-Display mit einer hohen Auflösung von 9,4 Millionen Bildpunkten. Mit einer 0,9-fachen Vergrößerung ist der elektronische Sucher dabei so groß, dass Sony eine Skalierungs-Option in der Kamera integrieren muss. Brillenträger beispielsweise haben so die Möglichkeit, den gesamten Sucherinhalt verkleinert anzuzeigen, sodass man mit ein wenig Abstand zum Okular noch immer alles erkennen kann.
Sensor und Globaler Verschluss
Kommen wir aber zurück zur zentralen Fragestellung – wie schlägt sich Sonys neuer Sensor mit Globalem Verschluss im Alltag? Wie in meinem Video möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir Testszenarien, die auf Messungen beruhen, aktuell nicht abbilden können. Dafür empfehle ich allerdings das englischsprachige YouTube-Video von Gerald Undone, in welchem er auf den Dynamikumfang und das Rauschverhalten des Sensors eingeht.
Die Besonderheit des Sensors in der A9 III erkennt man aber auch ohne Testverfahren. Denn anders als herkömmliche Sensoren liest der Sensor mit Globalem Verschluss alle Pixel gleichzeitig und nicht Reihe für Reihe aus. Zwar haben Kamerahersteller über Stacked-Anordnungen und schnelle Auslesegeschwindigkeiten störende Effekte wie Verzerrungen durch Rolling-Shutter bereits deutlich minimieren können, komplett vermeiden lassen sich diese aktuell aber nur mit einem Globalen Verschluss.
Dank des Stacked-Designs, zweier Prozessoren und der Unterstützung schneller CFexpress Typ A Speicherkarten kann die A9 III RAW-Aufnahmen in der vollen Auflösung von 24,6 Megapixeln bei 120 Bildern pro Sekunde aufnehmen. Sowohl AF als auch AE bleiben dabei aktiv und die A9 III zeigt nicht einmal Blackouts im Sucher an. Das Fotografieren erfolgt dabei auf Wunsch komplett lautlos, ohne dabei mit Nachteilen herkömmlicher Sensoren kämpfen zu müssen.
Beim Fotografieren unter künstlichem Licht entstehen keine Streifen durch Banding und die Verschlusszeiten erreichen bis zu 1/80.000 Sekunde. Dadurch lässt sich etwa auch bei hellem Tageslicht offenblendig Fotografieren, ohne dass an einen ND-Filter gedacht werden muss. Da alle Verschlusszeiten blitzsynchronisiert werden können, ergeben sich zudem ganz neue Möglichkeiten in der Fotografie.
All diese Eigenschaften klingen auf dem Papier fantastisch und beweisen durchaus, dass es bei Systemkameras noch Spielraum für neue Entwicklungen gibt. Allerdings bleibt offen, ob sich diese Vorteile auch im Alltag – und vor allem im Alltag eines nicht-professionellen Sportfotografen – positiv bemerkbar machen.
Zugegeben musste ich in meinem Alltag erst einmal Motive finden, die schnell genug sind, dass derart hohe Seriengeschwindigkeiten überhaupt sinnvoll wären. Das liegt natürlich vor allem daran, dass ich im Alltag und in meinem Beruf selten Sport- oder Tierfotografie betreibe. Lediglich Tanz- und Akrobatik-Performances fotografiere ich regelmäßig, und hier konnte ich die Seriengeschwindigkeiten ausprobieren.
Hinweis: Die im Artikel eingebundenen Beispielbilder wurden für die Webansicht komprimiert. Wer die JPEGs in voller Auflösung anschauen möchte, kann das hier in unserem Google Drive Ordner tun.
Folgeprobleme der Seriengeschwindigkeiten
Eine befreundete Tuchakrobatin konnte ich während des Testzeitraums in einem leider nur schlecht ausgeleuchteten Zirkusfeld fotografieren. Das machte sich teilweise in einem leichten Rauschen bemerkbar, auch beim Dynamikumfang lag die A9 III gefühlt etwas hinter meiner A7 IV. Gleichzeitig ist es technisch durchaus beeindruckend, bei der Auswahl von Fotos im Grunde genommen Einzelbilder aus einem Film heraussuchen zu können, bei dem jedes Standbild circa 24 Megapixel aufweist. Dabei ästhetische Momente zu verpassen, ist natürlich deutlich unwahrscheinlicher, als bei langsameren Seriengeschwindigkeiten. Gleichzeitig sorgen die hohen Seriengeschwindigkeiten für einige Folgeprobleme.
Denn die 60 GB große Speicherkarte, die ich in der A9 III verwendete und die aktuell rund 200 Euro kostet, war nach etwa anderthalb Stunden Performance-Shooting bereits voll. Dabei entstanden etwa 6.000 Bilder, von denen ich am Ende nur etwa ein Dutzend behalten wollte. Die A9 III setzt also recht viel Fett an, das man bei der Nachbereitung eines Shootings wegschneiden muss. Und das kann den Workflow beim Fotografieren wirklich ungemein verzögern. Zumal die Datenmengen beim Fotografieren entsprechend groß und behäbig sind.
Neben dem C5-Knopf hat Sony aber noch eine wirklich spannende Funktion in die Kamera integriert, auf die ich noch kurz eingehen möchte. Denn die Pre-Capture-Funktion – wieder keine Sony-Innovation – kann bis zu 120 Einzelbilder vor Betätigen des Auslösers speichern. Bei der Vogelfotografie kann man so den Auslöser drücken, wenn ein Vogel gerade losgeflogen ist, und hat dann die gesamte Bewegung aufgenommen.
Die Funktion stellte sich für mich, der sich bisher nur sehr selten an die Vogelfotografie gewagt hat, als echt praktische Hilfestellung heraus. Um dieselben Aufnahmen mit einer anderen Kamera ohne Pre-Capture aufzunehmen, hätte ich womöglich noch länger vor der Hecke auf startende Spatzen warten müssen. Dann hätte ich allmählich die Bewegungsabläufe der Vögel kennengelernt und gelernt, wann der richtige Moment zum Abdrücken ist.
Ist das noch Fotografieren und die Zukunft der Fotografie
An dieser Stelle möchte ich von meinen Erfahrungen mit der A9 III ein wenig auf die Bedeutung der neuen Sensortechnologie für die Fotografie überleiten. Denn ein befreundeter Fotograf, mit dem ich mich während des Testzeitraums getroffen habe, stellte die Frage “Ist das überhaupt noch fotografieren, wenn alles von selbst passiert?”. Und damit stellte er eine Frage, die bei der Smartphone-Fotografie schon seit einigen Jahren aufkommt.
Was ist ein “echtes” Foto? Sind Aufnahmen automatisch besser, wenn sie unter schwierigeren Bedingungen beziehungsweise ohne technische Hilfsmittel wie etwa Pre-Capture-Funktionen aufgenommen wurden? Und ist das überhaupt noch Fotografie?
Nach meinen Erfahrungen mit der A9 III würde ich diese Frage definitiv mit “Ja” beantworten. Die Arbeit mit der A9 III fühlte sich noch immer nach Fotografieren an, obwohl die Kamera einige technische Hürden beseitigt. Auch würde ich behaupten, dass mein Gehversuch in der Vogelfotografie nicht unbedingt zu “schönen” Aufnahmen geführt hat, auch wenn das Erwischen des richtigen Zeitpunktes eventuell von der Kamera automatisiert eingefangen wurde.
Ein “gutes” Foto ist am Ende noch immer subjektiv – in unserer Lesergalerie gibt’s ganz viele – und die Frage, ob ein Foto eine Aussage enthält und diese auch erfolgreich kommunizieren kann, hängt von unzähligen Faktoren ab. Neue Technologien wie der Sensor der A9 III bleiben letztendlich Werkzeuge, die den Weg vom Kopf des Fotografen oder der Fotografin, in dem eine Idee heranreift, bis zum fertigen Foto ein wenig vereinfacht.
Blicken wir ein wenig über den Sensorrand der A9 III hinaus, sehen wir zudem, dass wir uns auf derartige Entwicklungen einstellen müssen. Zwar gibt es zu jeder Bewegung eine Gegenbewegung wie zum Beispiel die neuen Analogkameras von Pentax und Rollei zeigen, die meisten Kamerahersteller versuchen aber, ihre Kameras smarter und eigenständiger zu machen.
Fujifilm hat früh damit angefangen, bestimmte und vor allem sehr beliebte Funktionen der Bildbearbeitung direkt in die Kamera-Software selbst zu packen. Damit meine ich natürlich die beliebten Filmsimulationsmodi, die in der X-T50 jetzt sogar ein eigenes Einstellrad bekommen haben. Panasonic geht sogar noch einen Schritt weiter und erlaubt es seit der Lumix S9, dass Nutzer eigene Bildstile am Smartphone entwerfen und direkt auf die Kamera übertragen.
Mit de EOS R1 bringt Canon zudem demnächst eine Kamera heraus, die Situationen selbst erkennen und eigenständig auslösen kann. “Priorität Action” heißt dieser Modus und in diesem nimmt die R1 etwa immer dann eines oder mehrere Fotos auf, wenn ein Fußballspieler einen Ball schießt. Wenn Canon dann auch Handspiele automatisch erkennen kann, könnte sich der Hersteller nach dem Halbfinale der Fußball-EM 2024 in Deutschland sicherlich einen neuen Kundenstamm aufbauen. Aber Scherz beiseite und noch einmal zurück zu Sony.
Fazit zur A9 III
Denn eigentlich geht es ja um die A9 III und nicht um Fußball-Anspielungen – zugegeben habe ich das entscheidende Spiel im Juli 2024 auch gar nicht gesehen.
Für Menschen, die sich mit Fußball und anderen Sportarten richtig gut auskennen, da sie diese beruflich fotografieren, bietet die A9 III ganz neue Möglichkeiten. Die Seriengeschwindigkeiten der Kamera sind zusammen mit Sonys intelligentem KI-Autofokus (mehr dazu im Test der A7CR), einer sehr guten Sucher-Display-Kombi und einer robusten als auch zuverlässigen Grundlage wirklich eine Wucht. Zumindest technisch ist es beeindruckend, aus RAW-Aufnahmen ein Zeitlupen-Video erstellen zu können.
Für Einsatzzwecke außerhalb der Tier- und Sportfotografie sind derartig hohe Seriengeschwindigkeiten aber eher weniger nötig. Im Gegenteil – sie sorgen schnell für Datenmengen, die sich ohne eine Spezialisierung auf diesen einen richtigen Moment beim Fußball oder bei der Formel 1 in der Nachbearbeitung einfach nicht rentieren.
Dass der Globale Verschluss zusätzlich aber Probleme wie Banding, Rolling-Shutter oder unzureichende Blitzsynchronisationszeiten eliminiert, gefiel mir zum Ende dieses Tests dann aber deutlich mehr. Dasselbe gilt für die Idee, mehrere RAW-Aufnahmen dank dieser hohen Geschwindigkeiten ganz ohne Stativ zu einer HDR-Aufnahme oder einer rauschfreieren Composite-RAW-Datei zusammenzufügen. Denn während 120 Bilder in voller Auflösung auch in Zukunft eher für eine geringe Zielgruppe an Fotografen relevant bleiben, sehe ich hier die eigentliche Errungenschaft im neuen Sensor.
Wenn sich Sensoren ohne mechanische Verschlüsse zukünftig etablieren, gilt es aber ein Problem zu lösen: Die digitalen Verschlussgeräusche der A9 III klingen grauenvoll – und schmälerten den Spaß, den ich mit der Kamera im Test hatte. Aber das ist eine Hürde, die irgendein findiger Hersteller demnächst sicher lösen wird.
Ich freu mich drauf!