Ein Vollformatsensor mit 61 Megapixeln, ein KI-gestützter Autofokus und ein geringes Gewicht von nur 515 Gramm. Die Sony Alpha 7C R soll höchste Qualitätsansprüche mit einem möglichst kompakten Gehäuse kombinieren. Warum man dafür selbst bei einem Preis von 3.799 € Kompromisse eingehen muss, haben wir in einem ausführlichen Praxis-Test für Euch herausgefunden.
Die Sony Alpha 7C R kommt im Oktober 2023 in den Handel. Knapp einen Monat vorher schickte uns Sony die neue Vollformat-DSLM für 12 Tage zum Ausprobieren zu. In unserem ersten Hardware-Test möchte ich Euch meine Erfahrungen mit der kleinen Sony-Kamera zusammenfassen. Bevor’s ans Eingemachte geht, will ich aber noch auf ein paar Dinge hinweisen.
Dieser Testbericht soll ein möglichst praxisnahes Bild von der A7C R zeichnen. ISO-Reihen, Sensormessungen und Co. können wir zum aktuellen Zeitpunkt einfach nicht auf dem Niveau abbilden, als dass sie für Euch hilfreich wären. Dafür bräuchten wir klimatisierte Räume, Messinstrumente und mehr. Stattdessen war mein Anspruch im Testzeitraum, Vor- und Nachteile im Alltag mit der A7C R herauszufinden. Dafür habe ich sie sowohl für Privatfotos, Auftragsfotografie in Form von Produktfotos als auch für Video-Aufträge genutzt.
In diesem Artikel findet Ihr zudem die Antworten auf alle Fragen der Photografix-Community, die ich vor der Leihstellung in einem Artikel hören wollte. Meine Antworten auf Eure Fragen findet Ihr am Ende dieses Artikels. Zwei Dinge müssen wir noch klären:
- Sony hat uns für diesen Artikel kein Geld gegeben und uns die Sony Alpha 7C R, das 16-35mm f/2.8 GM II sowie ein 50mm f/1.2 zur Verfügung gestellt. Im Anschluss gingen alle Produkte zurück an den Hersteller.
- In diesem Artikel findet Ihr wir vor allem JPEG-Bilder, da die .ARW-Dateien der A7C R noch nicht von Adobe Lightroom unterstützt werden.
Sony Alpha 7C R im Test: Gehäuse und Bedienung
Sony positioniert die Alpha 7C R als zweite Nachfolgerin der kompakten Vollformatkamera Alpha 7C. Sie misst laut Datenblatt 124,0 x 71,1 x 63,4 mm und wiegt 515 Gramm. Damit ist sie 53 % kleiner und 29 % leichter als die Alpha 7R V, die in Sonys bewährtem Profi-Gehäuse erschien.
Das Gehäuse der Alpha 7C R besteht aus einer Magnesium-Legierung und ist gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet. Zusammen mit den Gummiflächen, die für zusätzlichen Halt sorgen, fühlt sich die Kamera durchaus hochwertig an. Die Verarbeitungsqualität ist vergleichbar mit anderen aktuellen Sony-Kameras – kennt man eine, kennt man im Grunde genommen alle. Generell bewegen wir uns bei Sony auf einem sehr hohen Niveau, auch wenn sich die kleine Kamera ein wenig fummeliger anfühlt als etwa die A7R V oder die A7 IV, die ich seit knapp einem Jahr nutze.
Im Vergleich zu Sonys größeren Kameras fällt vor allem der Handgriff kleiner aus. Aber auch das Gehäuse ist in der Vertikalen ein wenig kürzer. Mit schweren Objektiven, selbst mit dem als besonders kompakt vermarkteten 16-35mm f/2.8, kippt die Kamera gerne nach vorne über. Und hier hat man aufgrund des kleineren Handgriffes einen deutlich schlechteren Halt. Für Vergleichswerte ein kleiner Fun-Fact: Meine Hände sind gemessen vom Handgelenk bis zum Mittelfinger 20 cm lang und 9,3 cm breit.
Sony hat dieses Problem für Fotografen und Fotografinnen mit größeren Händen offenbar erkannt. Und legt daher einen neuen Erweiterungsgriff mit in den Lieferumfang.
Der Erweiterungsgriff
Der Erweiterungsgriff “GP-X2” ist ein recht kurioses Zubehörteil und gleichzeitig eine der interessanteren Neuerungen bei den neuen Kompakt-Alphas. Er wird unten in das Stativgewinde geschraubt und bleibt dort äußerst solide und fest an seinem Platz. Die Spaltmaße sind gut, gut genug, dass die Kamera immer noch wie aus einem Guss wirkt.
Und tatsächlich lässt sich die Kamera mit dem Erweiterungsgriff deutlich besser in der Hand halten. Sie ist dadurch aber auch höher als meine Alpha 7 IV und hier sehen wir schon einen kleinen Widerspruch in Sonys Kompakt-Strategie.
Zwei Kritikpunkte gibt es an Sonys neuem Erweiterungsgriff dann aber doch. Anders als Batteriegriffe setzt Ihr den GP-X2 nicht in das Batteriefach der Kamera ein. Offenbar sehr von dieser Idee überzeugt hat Sony sogar die Kontakte im Batteriefach weggelassen, die eine Steuerung über Batteriegriffe ermöglicht hätte. Da man jetzt nicht mehr ans Akkufach kommt, lässt sich der Erweiterungsgriff in der Mitte auseinanderklappen. Das ist zwar kurios, für den Akkuwechsel ist diese Eigenschaft aber echt gut.
Gleichzeitig macht sie den Batteriegriff aber ein wenig instabil. Er wackelt ein wenig, wenn man die Kamera in einer Hand hält und das fühlt sich schlichtweg nicht gut an. Sony hätte den Griff besser so konzipieren sollen, dass er sich in Richtung der Rückseite “aufdrehen” lässt. So hätte man eine bessere Steifigkeit in der Vertikalen erreichen können.
Knöpfe und wie sie zu erreichen sind
Im Vergleich zur Alpha 7C gibt es vorne am Handgriff jetzt ein zweites Drehrad. Damit müsst Ihr Euch nicht mehr umgewöhnen, wenn Ihr von größeren Sony-Kameras kommt – die Steuerung über das hintere Drehrad und das Rädchen im 4-Wege-Steuerkreuz wie beim Vorgänger waren aber auch in Ordnung. Hier würde ich eher von einer Änderung als von einer Verbesserung sprechen.
Eine weitere Änderung im Vergleich zur A7C ist die Arbeitsweise des An-Aus-Knopfes. Sony hat den kleinen Haltegriff um etwa 45 Grad in Richtung Uhrzeigersinn verschoben. Und selbst nach vielen Stunden mit der Kamera will sich mein Zeigefinger daran nicht ganz gewöhnen. Deutlich besser gefällt mir der ins Moduswahlrad integrierte Wechsler zwischen Foto, Video und S&Q. Dieser rastet schön deutlich ein und muss zum Bewegen nicht – wie bei anderen Sony-Hybridkameras – eingedrückt werden.
Wie bei anderen Modellen finden wir auch bei der A7C R den unbeschrifteten und frei belegbaren Regler für die Belichtungskorrektur. Festsetzen lässt sich dieser nicht – und leider gibt es knapp darunter auch nur einen großen AF-On-Knopf über dem Function-Button. Ein AF-Joystick fehlt der Kamera, was die Bedienung erschwert. Aber darauf kommen wir im Autofokus-Kapitel zurück.
Denn an dieser Stelle müssen wir das Touch-Display als weiteres Bedienelement hinzuzählen. Wie bei seinen neueren Vlogging-Kameras legt Sony den Fokus immer weiter auf die Touch-Bedienung. Die Menüs, auch wenn die Kamera insgesamt der neuen Sony-Menüführung folgt, sind stärker auf Touch optimiert.
Aktiviert Ihr den Berührmodus (das gelingt standardmäßig über den Löschen-Knopf) erhalten alle Anzeigen auf dem Display weiße Ränder. Sie verwandeln sich somit in Knöpfe, die recht einfach zu bedienen sind. Abgesehen von den Menüs zur Belichtungssteuerung – Belichtungszeit und Blende sind und bleiben im Touch-Modus zu fummelig. Steuert Ihr das Menü der Kamera an, gibt’s ein neues Menü namens “Haupt”, das Ihr frei belegen könnt (siehe Foto oben). Hier zeigt Sony ein geräumiges Raster mit Einstellungsmöglichkeiten, das sich gut bedienen lässt.
Display und Sucher
Ein Kritikpunkt zur neuen Alpha 7C R im Netz ist immer wieder, dass Sony bei seiner 3.800-Euro-Kamera einen 0,39 Zoll großen Sucher mit 2,36 Millionen Bildpunkten und einer 0,7-fachen Vergrößerung verbaut. Diese Entscheidung ist insofern nachvollziehbar, als dass die Kameras der 7C-Serie laut Produktkatalog für die Bedienung übers Display gedacht sind. Der Sucher ist also eher ein Notbehelf. Wer klassisch durch einen Sucher fotografieren will, der soll nach Sony-Verständnis wohl zur A7R V greifen – aber hat die A7C R dann zumindest ein besonders gutes Display?
Nicht ganz – die Alpha 7CR bietet ein 3,0-Zoll-Display mit 1,04 Millionen Bildpunkten, das sich seitlich ausklappen und nach vorne drehen lässt. Die Möglichkeit, das Display beim Fotografieren einfach zu neigen, entfällt somit. Mit dem Blick aufs Datenblatt lässt sich hier keine vollends sinnvolle Strategie erkennen. Aber bestätigt sich das auch in der Praxis?
Beim Arbeiten mit der A7C R hatte ich bezüglich Display und Sucher immer die Aussage “vollkommen fein” im Kopf. In starkem Sonnenlicht ist der Sucher eine gute Möglichkeit, das zu Fotografierende besser zu erkennen. Die flache Augenmuschel ist aber nicht sonderlich gut darin, seitliches Licht abzuschirmen. Hier musste ich häufiger mit der zweiten Hand Schatten spenden, was ziemlich unbequem ist. Die Schärfe des Suchers ist gerade im HQ-Modus ausreichend hoch, dass sich keine Pixel mehr erkennen lassen. Auch die Helligkeit geht sowohl tagsüber als auch nachts in Ordnung.
Aber dabei bleibt’s eben auch. Der Sucher ist in Ordnung und funktioniert durchaus als Notbehelf. Für meine Ansprüche sollte das bei einer derart hochpreisigen Kamera aber wirklich anders sein. Mit dem größeren Sucher meiner Alpha 7 IV fotografiere ich wirklich gerne und kontrolliere meist sogar aufgenommene Bilder in der Vorschau über den Sucher. Einfach, weil der Sucher hier einen qualitativen Vorteil gegenüber dem Display bietet.
Sucher und Display sind zentrale Funktionen moderner Kameras. Mit ihnen steht und fällt, ob eine Kamera Spaß macht und ob wir sie gerne nutzen wollen. Und hier sollte die A7C R einfach mehr bieten. Schade!