Zum Ende jedes Quartals wollen wir schauen, was sich in der Welt der Smartphones getan hat und werfen verstärkt einen Blick auf die verbauten Kameras.
Das hat sich im letzten Quartal getan
Streng genommen wurde das dritte Quartal der Smartphonewelt in diesem Jahr von der Xiaomi-12S-Serie und – vor allem für uns interessant – mit dem Xiaomi 12S Ultra eingeläutet. Der neue Anwärter auf eins der besten Kamera-Smartphones gehört zu den ersten aus Xiaomis frischer Kooperation mit Leica. Dieses hatten wir schon in unserem Bericht für das zweite Quartal aufgenommen, weswegen es hier nicht noch einmal auftaucht. Dafür verschieben wir den Betrachtungszeitraum auch gegen Ende etwas nach hinten, sodass wir die Anfang Oktober präsentierten Modelle von Xiaomi und Google betrachten können.
Mitte Juli ist noch etwas Spannendes passiert: Das Nothing Phone (1) hat das Licht der Welt erblickt. Das Smartphone kommt mit Mittelklasse-Hardware daher, konnte unter der Führung des charismatischen Carl Pei aber Einiges an Aufmerksamkeit gewinnen. Pei hatte zuvor ebenfalls mit einigen ungewöhnlichen PR-Aktionen mit seinem Mitgründer Pete Lau die Marke OnePlus groß gemacht.
Diese steht in letzter Zeit selbst bei eingefleischten Fans heftig in der Kritik, nicht zuletzt wegen der immer stärkeren Fusion mit Schwestermarke Oppo. Auch die junge Zusammenarbeit mit Hasselblad und damit ein stärkerer Fokus auf die Kamerafunktionen konnte am angeblichen Absturz nichts ändern. Das Nothing Phone (1) ist zugegebenermaßen gemessen an seiner Fotofähigkeit nicht wirklich konkurrenzfähig, doch vielleicht gerade deswegen interessant näher zu betrachten. Es gibt uns nämlich einen Hinweis auf den Stand der Smartphone-Kameras in der aktuellen Mittelklasse von Android-Geräten. Womit geben sich Käufer also zufrieden, wenn sie bereit sind, 469 Euro für ein Smartphone auf den Tisch zu legen?
Am anderen Ende des Preisspektrums wurden hingegen neue Maßstäbe gesetzt. Nachdem Samsung mit dem ISOCELL HP1 schon seit einiger Zeit einen Smartphone-Sensor mit 200 MP im Angebot hat, hat es Monate gedauert, bis er auch in einem tatsächlichen Gerät zu kaufen war. Wie sich bereits durch vorherige Gerüchte angekündigt hatte, kann Motorola den Titel als erster Hersteller mit einer solchen 200-MP-Kamera in seinem Smartphone nach Hause nehmen. Wenig später stieß allerdings Xiaomi mit der zweiten Neuauflage seiner aktuellen Flaggschiffreihe hinzu, die den hochauflösenden Sensor noch günstiger verpackt. Ob das MP-Rennen damit ein Ende hat? Selbst wahnsinnige 450 MP scheinen in Greifweite zu liegen, wobei die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung natürlich durchaus in Frage gestellt werden kann.
Schließlich haben die ewigen Erzrivalen Apple und Google ihre neusten Smartphones der Öffentlichkeit präsentiert. Vor allem ein großer Schritt für Apple: Zumindest die Hauptkamera, die wie die anderen in den vorherigen Generationen mit 12 MP vergleichsweise knapp bestückt war, wurde in den Pro-Modellen auf 48 MP aufgebohrt. Damit schließt sich Apple dem längst in der Android-Welt vorherrschenden Trend des Pixel-Binnings an. Effektiv besitzen die meisten Fotos nämlich weiterhin eine Auflösung von 12 MP. Bei Google bleibt mehr beim Alten, denn hardwareseitig hat sich beim Pixel 7 Pro im Vergleich zum Vorgänger nur wenig geändert. Allerdings wissen wir auch: Maßgeblich ist für die Qualität von Smartphone-Fotografie die Software verantwortlich, von der wir dank Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz bald noch viel mehr erwarten dürfen.
Nothing Phone (1)
- Weitwinkel: 50 MP, f/,1.9 1/1,56 Zoll
- Ultraweitwinkel: 50 MP, f/2.2, 1/2.76 Zoll
- UVP: ab 469 Euro (8/128 GB)
Das Nothing Phone (1) wurde bereits lange vor seiner offiziellen Vorstellung mit großer Spannung erwartet – schließlich passiert es nicht alle Tage, dass eine völlig neue Marke das Feld der Smartphone-Hersteller betritt. Vor allem dem extravaganten Äußeren wird viel Beachtung geschenkt, denn das Datenblatt liest sich unterm Strich zwar nicht extrem gut, aber auch nicht extrem schlecht – Durchschnitt eben. In Sachen Kameras setzt Nothing allerdings ein Statement. Statt wie in diesem Preisbereich üblich einen dritten, minderwertigen Sensor (meist für “Makro-Aufnahmen”) auf die Rückseite zu klatschen, beschränkt sich das Phone (1) auf zwei Kameras mit Weitwinkel und Ultraweitwinkel. Diese bieten beide eine ordentliche Auflösung von 50 MP, der Weitwinkel greift aber auf eine größere Sensorfläche zurück.
Motorola Edge 30 Ultra
- Weitwinkel: 200 MP, f/2.0, 1/1,22 Zoll
- Ultraweitwinkel: 50 MP, f/2.2, 1/2,76 Zoll
- Telefoto (2x): 12 MP, f/1.6, 1/2,76 Zoll
- UVP: ab 1.049,90 Euro (12/256 GB)
Wie weiter oben schon angedeutet, gibt es einen klaren Gewinner im Megapixel-Rennen der Smartphone-Industrie – zumindest, bis auch die Schallmauer von 200 MP wieder durchbrochen wird. Bislang lag das Maximum bei ebenfalls beträchtlichen 108 MP, das mal eben fast verdoppelt wurde. Motorola bringt den ISOCELL HP1 in seinem hierzulande als Edge 30 Ultra vermarkteten Gerät unter, wodurch sich allerdings nur die Hauptkamera mit Weitwinkel auf diesem hohen Niveau befindet. Die sekundären Sensoren sind mit 50 MP beim Ultraweitwinkel und 12 MP für ein Telefoto mit zweifacher Vergrößerung aber sicherlich noch gut zu gebrauchen.
Apple iPhone 14 Pro
- Weitwinkel: 48 MP, f/1.8, 1/1,28 Zoll
- Ultraweitwinkel: 12 MP, f/2.2
- Telefoto (3x): 12 MP, f/2.8, 1/1,35 Zoll
- UVP: ab 1.299 Euro (6/128 GB)
Apple hat sich (endlich?) getraut, zumindest einem der drei Sensoren mehr als 12 MP zu schenken und beschreitet beim iPhone 14 Pro erstmalig den Weg des Pixel-Binnings. In der Regel werden also vier Pixel zu einem zusammengefasst, wodurch eine höhere Lichtaufnahme garantiert werden soll. Bei Bedarf können aber trotzdem Fotos mit den vollen 48 MP aufgenommen werden. Apple behält diese technologische “Innovation” dem Pro-Publikum vor und lässt sie sich entsprechend bezahlen. Es ist aber gut denkbar, dass auch das normale iPhone 15 zumindest einen höher auflösenden Sensor bietet, während das Pro-Modell dann auch die restlichen Kameras auf dieses Niveau hebt. Apple kündigt mit mit der “nahtlosen Integration von Hardware und Software” namens Photonic Engine an, bei allen Kameras “für einen gewaltigen Leistungssprung beim Fotografieren in mittleren bis schlechten Lichtverhältnissen” zu sorgen.
Xiaomi 12T Pro
- Weitwinkel: 200 MP, f/1.7, 1/1,22 Zoll
- Ultraweitwinkel: 8 MP, f/2.2, 1/4 Zoll
- Makro: 2 MP, f/2.4
- UVP: ab 799,90 Euro (8/256 GB)
Xiaomi wird regelmäßig vorgeworfen, zu viele Smartphones auf den Markt zu bringen. Der Unterschied vom Xiaomi 12T Pro zu den vorherigen Modellen Xiaomi 12S aus dem Frühjahr und Xiaomi 12 von letztem Herbst ist aber kaum zu übersehen. Das erschwingliche Flaggschiff setzt nämlich auf den gleichen ISOCELL HP1 mit 200 MP wie das Motorola Edge 30 Ultra. Der niedrigere Preis lässt sich aber leicht auf die schwächeren zusätzlichen Kameras zurückführen. 8 MP für den Ultraweitwinkel und gerade einmal 2 MP für die Makrolinse lassen leider keine allzu großen Sprünge erwarten.
Google Pixel 7 Pro
- Weitwinkel: 50 MP, f/1.85, 1/1,31 Zoll
- Ultraweitwinkel: 12 MP, f/2.2
- Telefoto (5x): 48 MP, f/3.5
- UVP: ab 899 Euro (12/128 GB)
Schließlich bleiben noch ein paar Worte zum Google Pixel 7 Pro zu verlieren, das direkt ans Google Pixel 6 Pro von letztem Jahr anknüpft. Das Modell von letztem Jahr war besonders, weil Google mit dem Tensor-Chip erstmalig – wenn auch mit Hilfe von Samsung – seine eigene SoC-Lösung verbaute. Diesem Konzept folgt auch das Google Pixel 7 Pro, das in Sachen Kamera nur wenig anders macht als sein Vorgänger. Bei der Auflösung hat sich laut Datenblatt nichts getan, die Telefoto-Kamera vergrößert nun aber fünf- statt vierfach. Google hat seine Fähigkeiten vor allem dank KI-gestützter Software etwa in der Nachtfotografie unter Beweis gestellt und scheint sich darauf zu konzentrieren.
Vorsichtiger Ausblick auf die Smartphone-Kameras 2023
Nach dem erfahrungsgemäß an technischen Neuheiten immer recht belebten Herbst bewegen wir uns langsam aufs Ende des Jahres zu. Allzu viele Smartphones werden uns bis Silvester vermutlich nicht mehr begegnen. Wagen wir also schon einmal einen vorsichtigen Ausblick auf 2023? Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass mit dem HP1 nicht mal der neuste 200-MP-Sensor bei Xiaomi und Motorola eingebaut ist. Samsung hat mit dem HP3 längst den Nachfolger angekündigt. Dieser dürfte in den Modellen des nächsten Jahres häufiger zum Einsatz kommen.
Generell dürfte das nächste Jahr aber wegweisend dafür sein, ob sich die 200 MP auch bei anderen Herstellern etablieren werden. Schon jetzt ist ein langsamer Trend zurück zu 48 oder 50 MP vom ehemaligen Limit von 108 MP zu beobachten. Unabhängig von der Auflösung dürften Sensorflächen aber auch im nächsten Jahr wachsen, nachdem schon dieses Jahr die Zahl der Smartphones mit 1-Zoll-Sensor gestiegen ist.
Beitragsbild: Artem Beliaikin